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Deutschland Großeinsatz in Berlin

Polizei räumt die umkämpfte Liebigstraße 14

Die Räumung eines der letzten besetzten Häuser versetzte Teile Berlins in den Ausnahmezustand. Nach fünf Stunden gewann die Polizei die Oberhand.

Begleitet von einem Großaufgebot an Sicherheitskräften haben Polizisten das linksalternative Wohnprojekt in der Liebigstraße 14 in Berlin-Friedrichshain geräumt. Es wurden 32 Störer festgenommen, darunter neun Hausbesetzer. Den Festgenommenen werde gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch und Widerstand gegen die Beamten vorgeworfen, sagte ein Polizeisprecher. Die Räumung zog sich über rund fünf Stunden hin. Sie war von lautstarken Protesten der linksradikalen Szene begleitet. In der Nähe des abgeriegelten Areals kam es zu Gewalt gegen Polizisten. Steine und andere Wurfgeschosse wurden gegen Beamte geschleudert. Fünf Polizisten wurden verletzt. Ein Beamter sei mit einem Knalltrauma ins Krankenhaus gebracht worden, so der Sprecher. Vermutlich sei ein Böller direkt am Kopf des Polizisten explodiert.

Die Polizei war vor allem in den angrenzenden Vierteln der Hauptstadt mit bis zu 2500 Kräften im Einsatz, da auch dort Proteste aufflammten. Für den Abend wird noch eine Demonstration erwartet. Die Liebigstraße 14 war seit den Morgenstunden weiträumig abgesperrt. Die Polizei, die einem Gerichtsvollzieher Amtshilfe leistete, versuchte mit Äxten und einem Rammbock in das Haus vorzudringen. Auch vom Dach des Mehrgeschossers verschafften sich Beamte Zutritt. Sie stießen auf massive Barrikaden. Türen seien mit Stahlträgern verstärkt, Mauern aus Stein hochgezogen, das Treppenhaus sei zum Teil herausgerissen worden.

Hausbesetzer und Unterstützer aus der linken Szene skandierten immer wieder in Sprechchören: „Wir bleiben alle“. Auf den Balkonen waren am Vortag Möbelstücke postiert und Stacheldraht angebracht worden. Auch von Balkonen umliegender Häuser wurde am Morgen mit Löffeln, Schüsseln und Töpfen Krach geschlagen. Auf den Dächern der Liebigstraße 14 und Nachbarhäusern hatten sich Spezialkräfte der Polizei postiert, da Steinwürfe befürchtet wurden. Am Vormittag zog sich der Protest auf der nahen Frankfurter Allee zusammen. Dort warfen zum Teil vermummte Randalierer immer wieder Flaschen.

Augenzeugen berichteten von Verletzten. Für kurze Zeit waren Wasserwerfer und ein Räumpanzer zu sehen. Die im Berufsverkehr stark genutzte Ost-West-Magistrale war auf einem Stück für mehr als zwei Stunden gesperrt. Am Nachmittag hatten sich die Protestierer weitgehend zerstreut. Schon am Wochenende war es bei einer Demonstration gegen die umstrittene Räumung zu massiven Auseinandersetzungen gekommen. 40 Polizisten waren verletzt worden.

Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, verteidigte die Räumung. Sie sei rechtmäßig, sagte die Grünen-Spitzenkandidatin für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Ihr Parteikollege Hans-Christian Ströbele kritisierte dagegen die Räumung. Freiräume in der Stadt gingen verloren. Es sei absurd, dass keine Lösung für das alternative Wohnprojekt gefunden worden sei. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte betont, die Polizei wolle keine Eskalation, sei aber verpflichtet, Amtshilfe bei der Räumung zu leisten.

Der rot-rote Senat hatte sein Interesse an einer friedlichen Lösung in der Liebigstraße deutlich gemacht. CDU-Chef Frank Henkel hatte den Senat aufgefordert, die Räumung durchzusetzen. Er sprach von einer Nagelprobe für den Rechtsstaat. Die Besetzer waren am Dienstag mit dem Versuch gescheitert, die Räumung in letzter Minute per Gerichtsentscheid zu verhindern.

Der Altbau im Ostteil Berlins war 1990 besetzt worden. Die Bewohner erhielten später Mietverträge, wurden aber gekündigt, als zwei Privatleute das Haus Ende der 90er Jahre kauften. Für politischen Zündstoff hatte 1990 die Räumung besetzter Häuser in der Mainzer Straße ebenfalls in Friedrichshain nach einer mehrtägigen Straßenschlacht gesorgt. Der rot-grüne Senat stürzte über die Gewalteskalation. Heute sollen noch etwa 20 Häuser in Berlin besetzt sein.

dpa/dapd/ks

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