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Meinung Mubarak-Regime

Auf Demokratiehoffnung kann auch Apokalypse folgen

Alle reden vom "demokratischen Wandel" in Ägypten. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass den Protesten eine rechtsstaatliche Demokratie folgt.

Wer weiß schon im Westen, welche Ingredienzien noch unter der brodelnden Oberfläche des ägyptischen Topfes verborgen sind? Wer kann schon sicher sein, dass die Pro-Mubarak-Schläger tatsächlich vom alten Pharao losgelassen wurden und nicht Freibeuter der Unruhe sind, Teil oder nicht der Hunderttausenden, welche die ägyptischen Sicherheitsdienste beschäftigen und weiter beschäftigen, und die nun-mehr um Privilegien und Macht fürchten? Ihre improvisierte Bewaffnung spricht eher für improvisierte Schlägertruppen.

Wer kann das Innenleben der ägyptischen Armee abschätzen, einerseits gegründet auf Befehl und Gehorsam, andererseits zerrissen zwischen den militärischen Stützen des alten Regimes, die weiterhin das Kommando haben, und den Wehrpflichtigen, deren Sympathien wahrscheinlich mehr ihren protestierenden Altersgenossen auf der Straße gehören als den alten Generälen?

Die begrenzte Erkenntnisfähigkeit westlicher Dienste, bevor sich in Tunesien und dann in Ägypten und anderswo die Ereignisse überstürzten, erlaubt wenig Zuversicht, dass sie es diesmal hinbekommen. Umfragen aus der vor-revolutionären Zeit Ägyptens warnen, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung nichts dagegen hätte, unter der Scharia zu leben. Ob aber das Regime der Muslim-Brüder mit liberaler Demokratie vereinbar ist, möchte man nicht testen. Bisher fehlt es an Beispielen.

Woher eigentlich nehmen die Lenker und Lenkerinnen der EU oder auch die Prinzipale der Außenpolitik in Washington die Zuversicht, dass alles, wenn nur erst Mubarak auf dem Altenteil sitzt, auf die demokratische Tugendstraße des Ausgleichs, des Rechtsstaats und der Friedlichkeit drängt? Die Bundeskanzlerin spricht vom bevorstehenden „demokratischen Übergang“ – als ob es nichts anderes gäbe. Das aber ist, wenn historische Erfahrung etwas lehrt, nicht immer die Straße, die Revolutionen nehmen. Osteuropa 1989/90 war die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.

Im Nahen Osten fehlt der Blick, ob aus Kairo, ob aus Jerusalem, Amman oder Djedda, auf den Iran des Jahres 1979. Da begann nach demokratischen Gestikulationen ein apokalyptisches Szenario. Es wurde unaufhaltsam, nachdem der amerikanische Präsident Jimmy Carter dem Schah die Unterstützung kündigte, der doch über lange Jahre gut genug gewesen war, Öl günstig zu liefern und die Sache des Westens zu vertreten.

Die Ayatollahs bewiesen dann, dass Fortschritt made in America umkehrbar ist, die Demokratie besiegbar. Revolutionen zeigen die unangenehme Neigung, ihre Kinder zu fressen. Es muss nicht so gehen, aber es kann.

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