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Warum eine Linke für die Burka im Dienst kämpft

Reporter
Vollverschleierte Frauen, hier im Bild eine afghanische Frau, sind in Deutschland nur selten anzutreffen. Hessen hat die Burka im öffentlichen Dienst verboten Vollverschleierte Frauen, hier im Bild eine afghanische Frau, sind in Deutschland nur selten anzutreffen. Hessen hat die Burka im öffentlichen Dienst verboten
Vollverschleierte Frauen, hier im Bild eine afghanische Frau, sind in Deutschland nur selten anzutreffen. Hessen hat die Burka im öffentlichen Dienst verboten
Quelle: picture alliance / landov/landov
Hessens Innenminister hat ein Burka-Verbot erlassen. Das erzürnt eine Politikerin der Linkspartei. Weil der Linken nach und nach andere Themen ausgehen.

Etwas Ungeheuerliches ist vor ein paar Tagen in Hessen passiert: Der Innenminister Boris Rhein (CDU) hat ein Burkaverbot erlassen . Anlass und Auslöser der Entscheidung war die Ankündigung einer muslimischen Mitarbeiterin des Frankfurter Bürgeramts, sie werde demnächst in einem Ganzkörperschleier zum Dienst erscheinen. Auch der zuständige Personalchef fand das nicht lustig. Man werde, versprach er, so ein Ansinnen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern wissen, notfalls auch mit einer Kündigung.

Nun ist Hessen seit jeher ein besonderes Biotop, Heimat von Joschka Fischer, Margarete Mitscherlich, Andrea Ypsilanti, Martin Hohmann, Heinz Schenk und Suhrkamp. Hier hocken Progressive und Traditionalisten, Revolutionäre und Reaktionäre so dicht aufeinander wie die Gäste einer Äppelwoi-Wirtschaft in Sachsenhausen. Und irgendwie vertragen sich auch alle miteinander, denn der kleinste gemeinsame Nenner entspricht der Fläche, die ein Bembel einnimmt. Hessen, das ist der Große Runde Tisch in einer Nussschale. Hier haben sogar biedere Hausfrauen in den wilden 60er-Jahren gegen den BH-Zwang am Institut für Sozialforschung demonstriert und dabei gerufen: “Unterdrückte, net vergesse, der Klassenkampf tobt auch in Hesse!”

Christine Buchholz, Friedenspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, wurde zwar 1971 in Hamburg geboren, aber auch sie ist inzwischen durch und durch Hessin – dort wo Hessen am hessischsten ist, in Offenbach. Ihr Weg führte sie gradlinig von der Organisation “Linksruck” über die SPD, die Antifa, die WASG, wo sie für “Internationales, Krieg und Frieden” zuständig war, in die Linkspartei, wo sie inzwischen für die “Bereiche Frieden/Abrüstung, Internationale Politik” mitverantwortlich ist. Frau Buchholz war immer sehr aktiv; Anfang der 90er-Jahre hat sie eine Delegationsreise von Studierenden nach El Salvador organisiert, dann verschiedene Anti-Nazi-Aktivitäten in Hamburg durchgeführt, die internationalen Proteste gegen den G-8-Gipfel in Genua koordiniert und im Bündnis gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan mitgearbeitet, immer auf der Seite des Guten gegen das Böse.

In der letzten Zeit freilich sind der Linken allmählich die Themen ausgegangen. Das Proletariat lässt sich lieber von RTL 2 helfen, der Abzug aus Afghanistan ist beschlossene Sache, die Bundeswehr praktisch abgeschafft, die Arbeitslosigkeit geht zurück, die Klimakatastrophe bleibt aus. Und was die Kompetenz für “Internationale Politik” angeht – nicht einmal die Ägypter haben es für nötig gehalten, bei der Linkspartei nachzufragen, ob und wann sie ihre Revolution starten sollen.

Und so war es nur logisch, dass Frau Buchholz sich zuletzt der Frankfurter Muslima annehmen musste, der die Stadt und der Innenminister das Tragen einer Burka im Dienst verboten hatten. Ein generelles Burka-Verbot am Arbeitsplatz, so Frau Buchholz in einer Zigarettenpause zwischen einer Antifa- und einer Antikriegs-Demo, bedeutet, “dass die betroffene Frau davon abgehalten wird, ein eigenständiges Einkommen zu erwirtschaften”. Das wiederum “kann nicht im Interesse derer sein, die sich die Emanzipation der Frau auf die Fahnen schreiben”.

Eine Argumentation, der wir uns vollinhaltlich anschließen. Denn eine Frau, die in einer Burka zur Arbeit geht, liefert das eigenständig erwirtschaftete Einkommen nicht daheim beim Ehemann ab, sie legt es klug an. Wenn nicht in Lingerie von “Victoria’s Secret”, dann in die gesammelten Werke von Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. Oder sie unternimmt eine Studienreise nach Kuba. In jedem Fall: Sie emanzipiert sich. Und das kann nur in unser aller Interesse sein.

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