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Deutschland Plagiatsvorwurf

Internetnutzer durchforsten Guttenbergs Doktorarbeit

Die Schummelvorwürfe gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg häufen sich. Hat er womöglich auch bei einem seiner Amtsvorgänger abgeschrieben?

Einen Tag nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) werden weitere Fundstellen für Unregelmäßigkeiten in der Doktorarbeit bekannt. Zahlreiche Internetnutzer haben sich zusammengeschlossen und durchforsten online Guttenbergs Dissertation. In einem Forum haben sie bis zum Nachmittag immer mehr unzureichend gekennzeichnete Textpassagen zusammengetragen .

Um die dreißig Seiten der 475 Seiten starken Arbeit wurden inzwischen markiert, weil zu Guttenberg dort nicht wissenschaftlich zitiert habe. Ziel der Internetgemeinde sei es, "die wissenschaftliche Integrität eines Doktortitels in Deutschland zu sichern“ und der Prüfungskommission an der Universität Bayreuth die Arbeit zu erleichtern. Zudem wollen einige Nutzer dort erreichen, dass Wissenschaftler in einem gemeinsamen Aufruf Minister zu Guttenberg zu einer öffentlichen Stellungnahme auffordern.

Die Universität Bayreuth, die sich mit ihrem prominenten "Summa cum laude“-Doktoranden sehr gerühmt hat, will sich in diesem Fall „nicht unter Zeitdruck setzen“ lassen, wie Präsident Rüdiger Bormann betont. Die Kommission zur Selbstkontrolle der Wissenschaft hat den CSU-Politiker zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. "Wir gehen davon aus, dass er das Schreiben am Montag bekommt“, sagte Frank Schmälzle, der Sprecher der Universität. Anschließend habe der Betroffene gemäß den Regularien der Deutschen Forschungsgemeinschaft zwei Wochen Zeit, sich zu den Plagiatsvorwürfen zu äußern.

Erst wenn diese Einlassung vorliege, werde die vierköpfige Kommission noch einmal tagen und beschließen, welche weiteren Schritte nötig seien. Zu Einzelheiten über den Prüfungsprozess vor und nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe wollte die Universität keine Stellung nehmen. Bestätigt wurde nur, dass Guttenbergs Doktorvater, der emeritierte, vielfach ausgezeichnete und derzeit schlecht erreichbare Verfassungsrechtler Peter Häberle, nicht der Prüfungskommission angehört.

Wegen des Namens zu Guttenberg sei dieser Fall schon ein besonderer, sagte Schmälzele, "aber wir gehen hier mit derselben Ordentlichkeit und Professionalität vor, wie wir es in jedem anderen Fall auch tun würden“. In der Amtszeit des jetzigen Präsidenten Bormann, die bald zwei Jahre betrage, sei ein solcher Fall allerdings noch nicht vorgekommen.

Politische Reaktionen auf die Vorwürfe gab es nur wenige. Die Webseite der "Tagesschau“ zitierte Außenminister Guido Westerwelle mit dem knappen Satz: "Ich äußere mich nicht zu Dissertationen oder Abiturzeugnissen.“ Der Außenminister gilt als ein Rivale Guttenbergs um die Deutungs- und Gestaltungshoheit der deutschen Außenpolitik. Westerwelles eigene juristische Doktorarbeit aus den neunziger Jahren, die "Welt Online" vorliegt, enthält in der Einleitung zwei korrekt ausgewiesene Fußnotenverweise, und keine Textübernahmen. (Der erste Absatz der Einleitung in Guttenbergs Doktorarbeit stammt offenbar aus einem Aufsatz der Schweizer Journalistin Klara Obermüller, die den Minister zu einer Entschuldigung auffordert.)

Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Gregor Gysi, sagte gemäß der "Tagesschau“ über Guttenbergs Dissertation: "Das ist geschummelt, und zwar in einer unangenehmen Art und Weise. Ich hoffe, dass das nicht stimmt, aber wenn, sind seine Tage als Bundesminister gezählt.“ Gysi hat seine eigene juristische Doktorarbeit von 1976, "Zur Vervollkommnung des sozialistischen Rechtes im Rechtsverwirklichungsprozess“, bislang nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der Direktor der Bundeszentrale für Politische Bildung Thomas Krüger, aus deren Publikation Guttenberg eine Passage übernommen haben soll, sagte "Welt Online": "Es freut uns, dass der Verteidigungsminister auch zu den Lesern der ,Informationen zur politischen Bildung’ gehört, die in allen Gymnasien der Republik Basislektüre sind. Allerdings ist das Zitieren ohne Quelle kein Kavaliersdelikt. In solchen Auseinandersetzungen stehen wir immer auf Seite unserer Autoren.“ Bei einer weiteren strittigen Passage handelt es sich "Spiegel online“ zufolge um einen Text von Rupert Scholz (CDU), einem Amtsvorgänger Guttenbergs als Verteidigungsminister. Scholz’ Text sei 2001 in der Beilage "Politik und Zeitgeschichte“ der Zeitung "Das Parlament“ erschienen. Guttenberg schloss die Doktorarbeit 2006 ab.

Der heutige Minister flog am Mittwochmittag nach Afghanistan. Dort besuchte er von Mittwochabend bis zum nächsten Morgen deutsche Soldaten in einem Vorposten nahe der Stadt Char Dah, wo die Taliban eine merkliche terroristische Aktivität entwickeln. Der Besuch war vom Bundesverteidigungsministerium seit einigen Wochen geplant. Am Abend deutscher Zeit wurde Guttenberg bereits wieder in Barleben bei Magdeburg zu einem Diskussionsabend über die Bundeswehrreform erwartet. Eingeladen hatte dazu, ebenfalls schon seit einiger Zeit, der CDU-Kreisverband.

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In der CSU hat es vor knapp fünf Jahren schon einmal eine Debatte um eine Dissertation gegeben. Der heute als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbauministerium tätige CSU-Bundestagsabgeordnete Andreas Scheuer hatte einen Doktorgrad geführt, den er an der Karlsuniversität in Prag erworben hatte. Nach Recherchen eines Journalisten, die in bayerischen Lokalzeitungen Niederschlag fanden, prüfte die Staatsanwaltschaft Passau, ob Titelmissbrauch vorliegen könne.

Zu offiziellen Ermittlungen oder gar einer Anklage kam es nicht. Scheuer nennt sich aber nicht mehr "Dr.“, sondern "PhDr.“, eine Abkürzung des tschechischen Titels. 2010 musste der CDU-Bundestagsabgeordnete Dieter Jasper 5000 Euro Bußgeld zahlen, weil er zu Unrecht einen Schweizer Doktortitel führte. Jasper hatte den Fall damals selbst publik gemacht und prüfen lassen.

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