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Deutschland Plagiatsvorwürfe

Alle stehen zu Guttenberg – außer einem

Politischer Korrespondent
Vordergründig steht die Union hinter dem Minister. Doch der Tonfall in der Verteidigung ist anders. Von einer "linken Kampagne" spricht jetzt niemand mehr.

Es gehört zum Berufsbild eines Spitzenpolitikers, unter Druck Entscheidungen treffen zu müssen. Jeder geht anders damit um. Es gibt Typen wie Angela Merkel, von der es heißt, sie denke die Dinge vom Ende her. Die Bundeskanzlerin, eine promovierte Physikerin, bemüht sich stets, alle möglichen Auswirkungen ihrer öffentlichen Einlassungen zu berücksichtigen. Vorschnelle Festlegungen ohne Hintertür sucht sie zu vermeiden. Fehlt die Zeit für sorgfältige Abwägungen, flüchtet der Kopfmensch Merkel in hinhaltende Formulierungen. Diese Art, Politik zu machen, hat ihr den Ruf einer Zauderin eingebracht. Aber sie schützt vor Fehlern.

Auf der anderen Seite des Spektrums gibt es Typen wie Karl-Theodor zu Guttenberg . Der Verteidigungsminister mag das Lavieren nicht, er sieht sich als Mann der Tat. Natürlich überdenkt auch er mögliche Konsequenzen seiner Äußerungen, doch neigt er dabei eher zum schnellen Brainstorming. Er ist keineswegs so arrogant und beratungsresistent, wie seine politischen Gegner ihn gern hinstellen. Aber letztlich verlässt sich Guttenberg meist auf sein Bauchgefühl. Und bei der Verkündung seiner Entscheidungen greift er zu prägnanten Formulierungen. Das hat ihm den Ruf des Ministers Klartext eingebracht, er hat damit auch handfeste politische Erfolge erzielt. Die Gefahr von Fehlern indes ist bei der Methode Guttenberg ungleich größer.

Von "abstrusen Vorwürfen" zum Titel-Verzicht

Dreimal hat der CSU-Politiker das in jüngster Vergangenheit erfahren müssen. Im Zuge der Kundus-Affäre bezeichnete er einen von der Bundeswehr angeordneten Luftschlag, bei dem über 100 Menschen ums Leben kamen, als „militärisch angemessen“. Die Bewertung überdauerte die Aufklärung der Vorfälle nicht, der Minister musste sie zu „militärisch nicht angemessen“ korrigieren. Ins genaue Gegenteil also. Im Verlauf der nächsten Affäre, den Vorgängen auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“, entband Guttenberg den verantwortlichen Kommandeur Norbert Schatz mit einem schneidigen „Jetzt reicht’s“ von seiner Aufgabe – bei Tempo 200 auf der Autobahn, mit einem Reporter an seiner Seite. Zwei Tage später musste er klarstellen, dass die Suspendierung nur vorläufig gelte und zum Schutz des Kapitäns erlassen worden sei.

Die vorerst letzte Kehrtwende vollzog Guttenberg nun bei der Verteidigung seiner Doktorarbeit. Vorigen Mittwoch wies der Minister noch alle Vorwürfe, er habe seine rechtswissenschaftliche Dissertation in Teilen abgeschrieben, als „abstrus“ zurück. Am Montagabend schließlich, bei einer Rede auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung im hessischen Kelkheim, räumte er ein, „dass ich gravierende Fehler gemacht habe. Gravierende Fehler, die den wissenschaftlichen Kodex, den man so ansetzt, nicht erfüllen.“ Er habe über Jahre an der Promotion geschrieben und dabei „teilweise den Überblick über die Quellen verloren.“ Er stehe „zu dem Blödsinn, den ich da geschrieben habe“ und entschuldige sich bei all jenen, „die ich mit Blick auf die Bearbeitung dieser Doktorarbeit verletzt habe.“ In einem Schreiben an die Universität Bayreuth bat er außerdem, „die Verleihung meines Doktorgrades zurückzunehmen“, um Schaden von der Hochschule und seinem Doktorvater abzuwenden.

Opposition fordert geschlossen Guttenbergs Rücktritt

Guttenberg räumte also wissenschaftliches Fehlverhalten ein, wies aber den Vorwurf zurück, vorsätzlich getäuscht zu haben. Die Opposition mochte sich auf diese durchaus bedeutsame Differenzierung nicht einlassen und forderte geschlossen den Rücktritt des Ministers. Die schärfsten Worte fand dabei SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, der tönte, Guttenberg habe „getäuscht und gelogen. Jeder Soldat würde in einem solchen Fall entlassen, jeder Abiturient wäre durchgefallen und jeder Student würde von der Uni fliegen.“ Die Kanzlerin müsse sich jetzt fragen, „ob ein Lügner im Kabinett bleiben darf“. Aber auch Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte: „Herr zu Guttenberg wird nicht zu halten sein, und am Ende wird ihn die Bundeskanzlerin nicht halten“. Grüne und Linke gaben zu Protokoll, sie hielten eine Demission des Ministers für unausweichlich.

Angela Merkel hat allerdings nicht die Absicht, diesen Forderungen zu entsprechen. „Die Bundeskanzlerin findet die Entscheidung Karl-Theodor zu Guttenbergs, auf den Doktortitel zu verzichten, richtig“, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. Merkel selbst hatte bereits vor Guttenbergs reuiger Rede signalisiert, ihn wegen der Plagiatsvorwürfe nicht fallen lassen zu wollen. Sie habe ihn nicht als wissenschaftlichen Assistenten oder Doktoranden ins Kabinett geholt, „mir geht es um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister. Die erfüllt er hervorragend, und das ist das, was für mich zählt“. Auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer stützte den angeschlagenen Parteifreund: „Wenn ich ausspreche, dass ich zu jemandem stehe, dann gilt das auf Dauer“. Hans-Peter Friedrich, der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, nannte die Rücktrittsforderungen der Opposition „Polemik und Hetze“. Die Abgeordneten der CSU stünden „geschlossen, einmütig und wie ein Mann hinter Karl-Theodor zu Guttenberg.“

Auch die Union will, dass sich Guttenberg dem Parlament stellt

Vordergründig gilt das auch für die CDU-Fraktion. Doch der Tonfall in der Verteidigung Guttenbergs verändert sich. Kaum jemand mag noch wie anfangs von einer „linken Kampagne“ gegen den Minister sprechen. Und während die Fraktionsführung am Montag noch davon ausging, Guttenberg müsse nicht im Bundestag zu den Vorwürfen Stellung nehmen, wurde ihm am Dienstag diskret übermittelt, man halte es nun doch für notwendig, dass er dem Parlament Rede und Antwort stehe. Ob er dem folgt ist unklar: In einer für Mittwoch anberaumten Fragestunde will Guttenberg sich vertreten lassen, an der anschließenden Aktuellen Stunde dagegen wohl teilnehmen.

Wie fest die Solidaritätsfront der Union steht, wird davon abhängen, ob die Methode Guttenberg weitere Fehler produziert, sei es bei einem möglichen Auftritt im Parlament, sei es bei der anstehenden Reform der Bundeswehr. Erste Risse jedenfalls sind schon zu erkennen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) war am Dienstag der erste Unionspolitiker, der Guttenberg öffentlich rügte, ihm schlampiges Arbeiten und schlechtes Krisenmanagement vorwarf. Über den Umweg einer Medienschelte versuchte Lammert im WDR, den einstigen Überflieger auf Normalmaß deutscher Politiker zu stutzen: „Dass die Medien nun entdecken, dass es sich bei diesem Kollegen nicht um einen Außerirdischen handelt, den sie der deutschen Öffentlichkeit über Monate aber genau als solchen verkauft haben, gehört für mich auch zur notwendigen Aufarbeitung.“

Mitarbeit: Robin Alexander, Thomas Vitzthum

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