WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Wahlen
  4. Bremen Wahl
  5. Bürgerschaftswahl in Bremen: Röslers FDP in der außerparlamentarischen Opposition

Bremen Wahl Bürgerschaftswahl in Bremen

Röslers FDP in der außerparlamentarischen Opposition

Politischer Korrespondent
Die Liberalen scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Der neue FDP-Chef Rösler kassiert eine empfindliche Wahlniederlage. Ihm ist die Pleite aber kaum zuzurechnen.

Oberflächlich betrachtet waren die Rahmenbedingungen für die erste Landtagswahl in der Verantwortung des neuen FDP-Chefs recht ordentlich. Vor einer Woche hatte die liberale Partei Philipp Rösler zu ihrem Vorsitzenden gewählt, und der 38-jährige Hoffnungsträger der Freidemokraten verkündete der Republik ein Signal des Aufbruchs : Die FDP wolle nun nicht mehr streiten, sagte Rösler, weder mit sich selbst, noch mit dem Koalitionspartner, sondern sich stattdessen ab sofort „um die Alltagssorgen der ganz normalen Familien kümmern“.

Nun, Alltagssorgen haben die Bremer Bürger zur Genüge. Der Stadtstaat hält in vielen Statistiken zweifelhafte Rekorde unter den 16 Bundesländern: Er nimmt vordere Plätze ein bei der Arbeitslosigkeit, der Kriminalität, den Schulden und der Neuverschuldung. Bei der Bildung ist man dagegen Schlusslicht.

Es sei deshalb an der Zeit, dass die FDP „einen längst überfälligen Kurswechsel in Bremen einleitet“, sagte der lokale Spitzenkandidat Oliver Möllenstädt. Die Wahl Röslers an die Spitze der Bundespartei werde dem Landesverband den dafür nötigen Schwung geben.

Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde

Soweit die durch rhetorischen Optimismus geprägte Oberfläche. Die Realität allerdings war deutlich deprimierender: Die FDP scheiterte in der Kaufmannsstadt nicht nur an der Fünf-Prozent-Hürde, sie scheiterte sehr deutlich. Nach vier Jahren in der Bürgerschaft sind die Liberalen in Bremen also wieder dort angekommen, wo sie schon zwischen 1995 und 2007 ein karges Dasein fristeten: in der außerparlamentarischen Opposition. Der erhoffte Rösler-Effekt ist ausgeblieben.

Eine über die Grenzen der Hansestadt hinausreichende Bedeutung wird man diesem Ergebnis kaum zuschreiben können. Ein beschwingter Wahlkampfauftritt des neuen FDP-Bundesvorsitzenden am vorigen Donnerstag reichte nicht aus, vier Jahre uninspirierter Arbeit der Liberalen in der Bürgerschaft wettzumachen.

In anonymen Mails übereinander hergezogen

In Bremen stand nicht Rösler zur Wahl, sondern Möllenstädt. Und dessen Gemeinsamkeiten mit dem Bundesvorsitzenden beschränken sich auf biografische Zufälligkeiten: Auch der Bremer zählt mit 33 Jahren zur jungen Politikergeneration der Freien Demokraten, auch er trägt einen Doktortitel, und zwar als Wirtschaftsingenieur. Ansonsten allerdings haben Möllenstädt und seine Bremer Kollegen alles dafür getan, Röslers Vision der FDP als homogener Problemlösertruppe zu konterkarieren.

In der vergangenen Legislatur gehörte es zum guten Ton der zunächst fünf liberalen Bürgerschaftsabgeordneten, in anonymen Mails übereinander herzuziehen. Die dauernden innerparteilichen Querelen, die der „Weser-Kurier“ unter der Überschrift „Liberale Lust an der Selbstzerstörung“ treffend zusammenfasste, gipfelten Anfang des Jahres im Parteiaustritt des Abgeordneten Uwe Woltemath, Möllenstädts Vorgänger als Landes- und Fraktionsvorsitzender.

Der Abgang führte zur Liquidation der Fraktion: die nur noch vier Liberalen in der Bürgerschaft verloren ihren Fraktionsstatus und firmierten fortan nur noch als „Gruppe der FDP“ im Parlament. Die monatlich rund 40.000 Euro Zuweisungen aus dem Bremer Haushalt halbierten sich, die politischen Mitwirkungsmöglichkeiten in den Ausschüssen und bei der Kontrolle der rot-grünen Regierung schrumpften, mithin auch die öffentliche Wahrnehmung – was angesichts der Dauerstreits aber nicht unbedingt ein Nachteil war.

Bundesweit war die Bremer FDP zuvor vor allem dadurch aufgefallen, dass sie bei der Wahl zum Bundespräsidenten nicht wie die Bundespartei den Regierungskandidaten Christian Wulff unterstützte, sondern dessen vom rot-grünen Oppositionslager nominierten Gegenkandidaten Joachim Gauck.

Früher einmal waren sie eine angesehene Partei

Anzeige

Woltemaths Austritt führte darüber hinaus zu einer weiteren Zersplitterung der ohnehin schon unübersichtlichen Parteienlandschaft im Stadtstaat. Der ehemalige Liberale gründete die Wählergemeinschaft „Bremer Bürger Liste“ (BBL). Solche Listen gibt es reichlich in der Hansestadt. So haben mehrere Ruheständler aus der Wirtschaft die „Bremer und Bremerhavener Wählergemeinschaft“ (B+B) ins Leben gerufen.

Und dann gibt es noch die „Bürger in Wut“, die es nach ersten Trends nah an die Fünf-Prozent-Marke schafften. „Wir brauchen keine Wutbürger, wir brauchen Mutbürger“, hatte Rösler im Wahlkampf gesagt – wohl auch mit Blick auf die Tatsache, dass Stimmen für diese Gruppierungen in erster Linie zu Lasten der bürgerlichen Parteien CDU und FDP gehen.

Früher einmal waren die Freien Demokraten in Bremen eine angesehene Partei. Von 1951 bis 1971 hatten sie ununterbrochen mitregiert. 1991 schafften sie noch einmal den Sprung in den Senat.

Das dafür notwenige Ampelbündnis mit SPD und Grünen allerdings markierte den Anfang des Abstiegs: Damals begannen die Querelen, die bei der Wahl 1995 mit einem Ergebnis von 3,37 Prozent bestraft wurden. Bis dahin war die FDP immer in der Bürgerschaft vertreten gewesen, nun begannen zwölf Jahre des Darbens: 1999 erhielt man 2,52 Prozent, 2003 4,21 Prozent. Erst 2007 konnte der damalige Bundesvorsitzende Guido Westerwelle die Auferstehung verkünden, mit knapp sechs Prozent gelang der Wiedereinzug ins Parlament.

Der gescheiterte Bremer Spitzenkandidat Möllenstädt gehörte zu den Wortführern bei der Demontage Westerwelles in den vergangenen Monaten. Ausdrücklich hatte er Auftritte des Außenministers im Wahlkampf abgelehnt. Seine eigene Zugkraft aber blieb trotz sportiver Plakatierung als Jogger begrenzt, und Röslers Inthronisierung auf dem Parteitag samt des Versprechens „Ab sofort werden wir liefern!“ kam zu spät.

Westerwelle dürfte sich trösten

In der Bundespartei war man am Sonntag bemüht, den Anteil Röslers am Scheitern möglichst klein zu halten. Eine Trendwende sei nicht in einer Woche zu erreichen, alles andere seien „messianische Erwartungen“. Im Bund werde es eine Weile dauern, bis die gewünschte neue Glaubwürdigkeit erreicht sei. In Stadtstaaten habe man es außerdem traditionell schwer, und in Bremen im Besonderen hätten die Bürger eben über die Leistung eines chaotischen Landesverbandes abgestimmt.

Guido Westerwelle immerhin durfte sich am Bremer Wahlsonntag damit trösten, dass eine Last von ihm genommen ist. Nicht er musste am Abend die Niederlage kommentieren. Und nicht er muss am Montag die Gremiensitzungen leiten und die Gründe für die Pleite intern analysieren und öffentlich rechtfertigen.

Diese undankbare Aufgabe fällt nun Philipp Rösler zu. Noch wird ihm das leicht fallen. Bei den nächsten Landtagswahlen dieses Jahres, die im September in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin anstehen und laut Umfragen ebenfalls nichts Gutes für die FDP verheißen, wird sein Anteil am Ergebnis schon kritischer hinterfragt werden.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema