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Gesundheit Tödliche EHEC-Erkrankungen

Institut warnt vor Tomaten, Gurken und Salat

Rohkost ist das neue Kassengift, seitdem es an der rasanten Ausbreitung des EHEC-Erregers schuld sein könnte. Das Robert Koch-Institut warnt ganz konkret.

Wenn man sich ein bisschen unbeliebt machen will an diesem Tag nach den ersten beiden EHEC-Toten, dann kann man zum Beispiel in die Wandelhalle des Hamburger Hauptbahnhofs gehen und bei „Mr. Clou“ nachfragen, wie denn so die Geschäfte laufen. „Mr. Clou“ verkauft Säfte, Obst, Salat, Rohkost. Alles frisch, alles gesund. Produkte, die eigentlich einen guten Lauf haben in unseren ernährungsbewussten Zeiten. Eigentlich.

Man bekommt also erst mal keine Antwort auf die Frage, wie das Geschäft denn so läuft, seitdem bekannt geworden ist, dass die den Blutdurchfall auslösenden Keime womöglich via Rohkost unter die Leute gebracht werden. Seit Mittwochabend warnt sogar das Robert Koch-Institut davor, rohe Tomaten, Salatgurken und Blattsalate zu essen. Die EHEC-Erkrankten in einer Studie in Hamburg hätten diese Gemüse deutlich häufiger gegessen als gesunde Vergleichspersonen, teilte das Institut mit

Nach wie vor sei Norddeutschland am stärksten von EHEC-Infektionen betroffen. Da aber auch bundesweit Erkrankungen aufgetreten seien, könnten auch dort belastete Lebensmittel in den Handel gelangt sein.

Mehr als 200 Menschen haben sich sicher infiziert. 59 von ihnen liegen in Hamburger Kliniken, weil sie Symptome des Hämolytisch-Urämisches-Syndroms (HUS) aufweisen. Das ist, die Gesundheitsbehörde zählt das inzwischen akribisch, ein Plus von 17 gegenüber dem Dienstag. 43 der schwer Erkrankten sind Frauen.

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Auch sieben Kinder sind betroffen. Sie werden auf der Kinderstation des Uniklinikums Eppendorf behandelt, wo man per Dialyse versucht, Schlimmeres zu verhindern.

„Das ist sicherlich die größte Herausforderung für das UKE, seit dem ich vor sieben Jahren Ärztlicher Direktor wurde“, so UKE-Chef Jörg F. Debatin. Auch in seiner Klinik wird mit Todesfällen gerechnet. Die erkrankten Kinder allerdings, das hoffen hier alle, werden es am Ende überstehen.

Bundesweit waren mehr als 140 Fälle dieser schweren Verlaufsform der Krankheit bestätigt. Insgesamt zählen die Behörden mittlerweile etwa 500 EHEC-Infektionen und Verdachtsfälle.

Auch zwei weitere mögliche Todesopfer wurden gemeldet. Eine 41 Jahre alte Frau aus dem Landkreis Cuxhaven, die seit Sonnabend wegen EHEC-Symptomen behandelt worden war, starb am Mittwoch nach einem Nierenversagen. Und in Oldenburg (Holstein) erlag eine 89 Jahre alte Seniorin den Folgen des HU-Syndroms.

Wirtschaftliche Folgen unklar

Dass Behörden und Medien überhaupt diesen Zusammenhang herstellen – Rohkost, Durchfall, HUS, Klinik, Tod – ist ein Grund, warum bei „Mr. Clou“ niemand so recht reden möchte über die wirtschaftlichen Folgen der EHEC-Welle.

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Dann kommt aber doch ein Satz, der in etwa so geht, dass die Medien dieses Thema aufbauschen und man sich daran eben nicht beteiligen möchte. Dass Obst, Gemüse, Rohkost an diesem Tag nicht der Renner waren im Hauptbahnhof, das kann man aber auch so sehen. Es ist halt ein Dilemma.

Auch am Mittwoch wusste ja noch niemand, wie und woran sich die EHEC-Patienten infiziert haben. Allerdings kreisten die Experten des Robert-Koch-Instituts die Quelle des Übels ziemlich gewissenhaft ein.

Die Tendenz dieser Untersuchungen, die vor allem im Umfeld der Hamburger Patienten stattfinden, geht nach wie vor in Richtung Rohkost. Die ärztliche Leiterin des Großlabors Medilys der Asklepios-Kliniken ging in der ARD etwas weiter und mutmaßte, dass kommerzielle Salatbars mit ihren vorbereiteten Zutaten eine Rolle spielen könnten. Womöglich, so hieß es später im Berliner Gesundheitsministerium, könne man die Quelle der EHEC-Infektionen sehr bald identifizieren.

Das wäre vermutlich eine Erleichterung für die Mitarbeiter der Franchise-Kette "Mr. Clou". Aber auch für die zuständigen Politiker, die von einer „bedrohlichen Situation“ sprechen, die der EHEC-Erreger vor allem im Norden, aber in einigen Fällen auch im Süden der Republik ausgelöst habe.

Sowohl Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) als auch seine für den Verbraucherschutz zuständige Kollegin Ilse Aigner (CSU) rufen deshalb nicht nur die Norddeutschen, sondern alle Bürger auf, in diesen Tagen ganz besonders auf die Einhaltung von Hygieneregeln zu achten . „Obst und Gemüse sollten intensiv gereinigt werden“, mahnte Bahr. Was soll man auch sonst sagen? Auch Bahr hofft, dass das Robert-Koch-Institut auf der Suche nach der Ursache der Infektionswelle bald fündig wird. Die Einrichtung eines Krisenstabs aber lehnt er ab.

Bei allem Optimismus, die Quelle des Erregers jetzt zügig ausfindig zu machen, es gibt auch Nachrichten, die dieser Hoffnung eher entgegen stehen.

So berichtete die Frankfurter Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann am Mittwoch, dass in der Mainmetropole mittlerweile zwei Patienten erkrankt sein, die sich zuvor weder in Norddeutschland aufgehalten hatten noch in einer jener beiden Kantinen, in der alle übrigen Frankfurter Patienten gegessen hatten. „Daher müssen wir davon ausgehen, dass es möglicherweise noch andere Infektionsquellen gibt“, sagte Rottmann.

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Der Direktor des Instituts für Hygiene an der Uniklinik Münster, wo das EHEC-Bakterium derzeit typisiert wird, erinnert daran, dass bei großen EHEC-Ausbrüchen in der Vergangenheit die Ursachen nie aufgeklärt worden seien.

Man kann sich als Rohkost-Fan auch ein bisschen Mut machen lassen in Hamburg. Zum Beispiel an der „Chiquita-Fruitbar“ in der Spitalerstraße. Dort erteilt Bahar Vural freundlich Auskunft über den Geschäftsverlauf. Sie selbst, sagt die junge Verkäuferin, habe ja auch gedacht, dass das Geschäft heute schlechter laufen würde nach all den Berichten. Aber das sei nicht so. Saft, Obst und Salat seien gefragt wie immer.

Weitere Informationen über das EHEC-Bakterium:

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