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Kriegsverbrecher Ratko Mladic festgenommen

Serbien: Kriegsverbrecher Ratko Mladic festgenommen Serbien: Kriegsverbrecher Ratko Mladic festgenommen
Serbien: Kriegsverbrecher Ratko Mladic festgenommen
Quelle: dpa
In Serbien ist der meistgesuchte Kriegsverbrecher Europas festgenommen worden. Ratko Mladic war seit 1995 auf der Flucht. Ihm wird Völkermord angelastet.

Der wegen Kriegsverbrechen gesuchte serbische Ex-General Ratko Mladic ist festgenommen worden. Das bestätigte Serbiens Präsident Boris Tadic in Belgrad. Als Gegenleitstung für die Verhaftung von Mladic erwartet Serbien jetzt einen zügigen EU-Beitritt. „Ich hoffe, dass jetzt die Türen offen stehen“, sagte Präsident Tadic. Brüssel hatte stets eine Kandidatur von der Festnahme Mladics abhängig gemacht.

Die Verhaftung von Mladic öffne auch die Türen für die Versöhnung auf der ganzen Balkanhalbinsel, sagte Tadic. „Die Verhaftung ist wichtig für die Versöhnung“. Serbien schließe damit ein Kapitel seiner Geschichte und befreie sich von einer schweren Last.

Details zur Festnahme wollte Tadic nicht preisgeben. „Das werden die Vertreter der Sicherheitsbehörden tun“, sagte er. „Mladic wurde auf dem Boden Serbiens verhaftet“, sagte er lediglich. Der Geheimdienst habe den Gesuchten in dem Dorf Lazarevo bei Zrenjanin verhaftet.

Davor hatten serbische Medien berichtet, der Geheimdienst habe einen Mann mit dem Namen Milorad Komadic festgenommen, der auffällig viele biografische Merkmale des ehemaligen bosnisch-serbischen Generals aufweise.

"Stolz auf die geleistete Arbeit"

Tadic betonte: „Ich bin sehr stolz auf die geleistete Arbeit.“ Er gratulierte allen Beteiligten. „Serbien hat damit seine moralische Glaubwürdigkeit im Ausland auf ein höheres Niveau gehoben.“

Die Verantwortlichen für die jahrelange Flucht von Mladic würden gesucht und gefunden, kündigte Tadic an. Noch unter dem Mandat dieser Regierung (also bis Frühjahr nächsten Jahres) müssten die wichtigsten Kriminellen mit ihrer Verhaftung rechnen.

Der seit Jahren flüchtige frühere Kommandeur der bosnischen Serben wird vom UN-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien gesucht. Dort ist er wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Kriegs (1992-1995) angeklagt. Ratko Mladic soll nun so schnell wie möglich an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt werden.

„Der Prozess der Auslieferung läuft bereits mit seiner Festnahme“, sagte Tadic zur baldigen Überstellung. Dort sitzt bereits Mladics ehemaliger „Vorgesetzter“, Serbenführer Radovan Karadzic , seit seiner Festnahme 2008 ein. Karadzic hatte jahrelang in Belgrad als Kräuterdoktor und esoterischer Heilpraktiker unter falschem Namen gelebt.

Das Tribunal in Den Haag legt Ratko Mladic vor allem die 44-monatige Belagerung Sarajevos mit rund 10.000 Toten und das Massaker von Srebrenica zur Last. In der bosnischen Enklave wurden im Juli 1995 beim schlimmsten Massaker in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg rund 8000 muslimische Männer und Jungen getötet. Seit 1995 ist Mladic auf der Flucht.

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Die Ermittler am Tribunal für Ex-Jugoslawien hatten Belgrad immer wieder kritisiert, nicht genug bei der Suche nach Mladic und anderen flüchtigen Kriegsverbrechern zu tun. In einem Bericht des Anklägers Serge Brammertz an den US-Sicherheitsrat heißt es, die Anstrengungen Serbiens zur Festnahme Mladics und anderer Verdächtiger seien „unzureichend“. Dies untergrabe die „Glaubwürdigkeit und die Stärke“ des Engagements Belgrads, vollständig mit dem Tribunal zu kooperieren.

Reaktionen auf seine Festnahme

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat die Verhaftung des früheren bosnischen Serbengenerals Ratko Mladic begrüßt. Mladic habe „eine Schlüsselrolle in einigen der dunkelsten Kapiteln der Geschichte des Balkans und Europas gespielt“, heißt es in einer in Brüssel veröffentlichten Erklärung Rasmussens.

Dazu gehöre die Belagerung Sarajevos und das Massaker von Tausenden Bosniern in Srebrenica. Seine Verhaftung bietet "endlich eine Chance dafür, dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt“. Die Festnahme sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem umfassenden, freien und friedlichen Europa. Die NATO werde die Region weiterhin unterstützen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bezeichnete die Festnahme als „sehr gute Nachricht für die Gerechtigkeit in Europa“. Serbien löse damit eine „langjährige Forderung der EU“ ein, sagte Westerwelle. Er erinnerte an die Opfer des Massakers von Srebrenica und deren Angehörige. „Einer ihrer mutmaßlich schlimmsten Peiniger kann jetzt zur Verantwortung gezogen werden.“

"Ganz klare europäische Perspektive"

Zur Frage, warum die Suche nach Mladic 16 Jahre gedauert habe, sagte Westerwelle, er wolle darüber nicht spekulieren. Entscheidend sei, dass jetzt ein „ganz wesentlicher Beitrag“ zur Gerechtigkeit geleistet worden sei. Die Aufarbeitung des Unrechts der Balkankriege sei „zwingende Voraussetzung“ für die Versöhnung in der Region. Mit der Festnahme von Mladic werde eine weitere Grundlage für eine friedliche Zukunft der gesamten Balkanregion geschaffen.

Westerwelle sagte zu den Bemühungen Serbiens um einen EU-Beitritt, die Bundesregierung sehe für das Land „eine ganz klare europäische Perspektive“. Serbien müsse aber alle Bedingungen dafür einhalten. Dazu zählten die Zusammenarbeit mit der internationalen Justiz und gute Beziehungen zu den Nachbarstaaten.

Sarkozy sieht weitere Etappe zur EU geschafft

Nach Einschätzung des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy bedeuten die jüngsten Ereignisse „eine weitere Etappe Serbiens zur Integration in die EU“. Er äußerte sich sehr erfreut über die Verhaftung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers: „Das ist eine sehr gute Nachricht, und es ist eine sehr mutige Entscheidung des serbischen Präsidenten.

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Österreichs Außenminister Michael Spindelegger sagte: „Die laufenden Bemühungen Serbiens um eine baldige Verleihung des EU-Kandidatenstatus' und nachführende Schritte im Heranführungsprozess sind jetzt in greifbare Nähe gerückt.“

Aus Sicht des Ministers haben die serbischen Sicherheitskräfte und die Regierung bewiesen, dass sie die vollständige Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal ernst nehmen und einen Beitrag zur Aufklärung der schwersten Kriegsverbrechen in Europa seit 1945 leisten wollen. „Mit der Verhaftung Mladics können die Tausenden Opfer und ihre Angehörigen nach jahrelangem Bangen endlich auf Gerechtigkeit hoffen“, sagte Spindelegger.

Bei den Hinterbliebenen seiner Opfer löste die Festnahme Genugtuung aus: „Die Gerechtigkeit hat gesiegt“, sagte Semir Guzin, Rechtsvertreter der Vereinigung „Mütter von Srebrenica“. Guzin vertritt die Hinterbliebenen des Massakers, bei dem im Sommer 1995 serbische Soldaten nach der Eroberung der UN-Schutzzone Srebrenica rund 8000 muslimische Männer und Jugendliche ermordet und in Massengräbern verscharrt hatten.

Auch wenn der Prozess gegen Mladic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag noch bevorstehe, sei mit der Festnahme schon viel erreicht. „Zumindest haben wir die Hoffnung, dass Mladic bekommt, was er verdient“, sagte Guzin.

Verhaftung zahlt sich für Serbien in klingender Münze aus

Die Verhaftung von Ratko Mladic wird sich für Serbien auch in klingender Münze auszahlen. Nach Angaben der Staats- und Regierungsspitze verlor das Land bisher durch das Ausbleiben der Festnahme rund 1,2 Milliarden Euro jährlich. Bestimmte EU-Fonds seien dem armen Land verschlossen geblieben; auch günstige Kredite seien Mangelware gewesen.

Die rund 10.000 Polizisten und Geheimdienstler, die den Ex-General tagtäglich gesucht hatten, kosteten allein bis zu 12 Millionen Euro im Jahr. Das hatte Rasim Ljajic als Chef des Verfolgerteams vorgerechnet. Schließlich seien ausländische Investoren zurückhaltend gewesen, weil sie erst auf die Festnahme und dann auf einen klareren Pro-EU-Kurs des Landes gewartet hätten, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Reuters/AFP/dapd/dpa/fas/kami/mcz

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