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Gesundheit Experten-Warnung

EHEC-Ausbruch "Szenario für biologische Anschläge"

Der renommierte Mikrobiologe Alexander S. Kekulé hält Terroranschläge mit EHEC-Bakterien für denkbar. Diese seien besonders in Entwicklungsländern leicht zugänglich.

Alexander S. Kekulé ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In einem Zeitungsartikel schrieb er, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das tödliche EHEC-Bakterium absichtlich in Umlauf gebracht worden ist .

Welt Online: Hätte so ein Ausbruch auch durch einen Anschlag verursacht werden können?

Alexander S. Kekulé: Jetzt, wo nach Information der Behörden die Quelle gefunden wurde , kann man es offen aussprechen: Genau derselbe Ausbruch hätte auch durch eine absichtliche Ausbringung verursacht sein können. Biologische Anschläge sind zum Glück sehr unwahrscheinlich, aber deshalb darf man diese Möglichkeit bei der Ursachensuche nicht ignorieren.

Welt Online: Wie könnte so ein Anschlag ablaufen?

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Kekulé: Die Verseuchung von Lebensmitteln mit EHEC oder einem anderen toxinbildenden Durchfallerreger gehört zu den typischen Szenarien für biologische Anschläge. Das liegt erstens daran, dass diese Erreger leicht zu beschaffen sind. Gefährliche Durchfallerreger liegen in fast jedem mikrobiologischen Labor und sind meist nicht besonders gesichert. Noch leichter zugänglich sind sie in Entwicklungsländern, wo gerade die gefährlichsten Bakterien vorkommen, weil wir in Mitteleuropa keine Immunität dagegen haben.

Welt Online: Wie leicht und einfach ist es, so einen Anschlag auszuführen?

Kekulé: Es gibt viele Wege, Krankheitserreger oder giftige Chemikalien in die Lebensmittel- oder Wasserversorgung einzuschleusen. Dazu genügen Grundkenntnisse in Mikrobiologie, ein kleines Labor und kriminelle Fantasie.

Welt Online: Welche Dosis braucht es dazu?

Kekulé: EHEC und ähnliche Keime sind unter anderem deshalb so gefährlich, weil bereits sehr wenige Keime, etwa 20 bis 50 Bakterien, für eine Infektion genügen können. Mit einem Reagenzglas voll Bakterien können theoretisch ohne Weiteres einige Tausend Menschen infiziert werden.

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Welt Online: Kann man bewusst einen so gefährlichen EHEC-Stamm aufbauen?

Kekulé: Spezialisten könnten das wohl, aber die kennen sich untereinander und kommen als Täter kaum infrage. Aber das ist gar nicht nötig, denn die bekannten, besonders gefährliche Toxine bildenden Bakterienstämme genügen vollkommen. Am wirkungsvollsten wäre ein Keim, der in Mitteleuropa in den letzten Jahren kaum vorkam, weil dagegen keine Immunität besteht. Genau so ein Keim ist übrigens der gerade ausgebrochene EHEC vom Typ O 104:H4 (HUSEC 41).

Welt Online: Wieso sind keine Kinder betroffen?

Kekulé: Dass viele Erwachsene ein HUS bekommen ,ist eine der Besonderheiten dieses EHEC-Typs. Wahrscheinlich liegt es an einer Kombination spezieller Eigenschaften des Bakteriums, der sogenannten Pathogenitätsfaktoren, und der fehlenden Immunität. Kinder sind natürlich auch gefährdet, doch essen die bekanntlich nicht so gerne rohes Gemüse und Salate.

Welt Online: Was müsste man Ihrer Meinung nach in Sachen Lebensmittelsicherheit tun? Wo sind die größten Gefahrenherde?

Kekulé: Der aktuelle EHEC-Ausbruch hat einmal mehr vorgeführt, dass gefährliche Erreger und die Prozessierung und Verteilung von Lebensmitteln viel schneller sind als die Gesundheitsbehörden. Grenzen von Landkreisen und Bundesländern sind für Keime kein Hindernis, für Schutzmaßnahmen leider schon. Bei der Verfolgung von Ausbrüchen spielt es keine Rolle, ob die Bakterien von einer Ladung Gurken aus Spanien oder einem Reagenzglas aus einem Labor stammen. Bei Verdacht auf eine Straftat kann das Bundeskriminalamt ermitteln, bei natürlichen Ausbrüchen sind die Länder und Kreise zuständig. Da gibt es dringenden Regelungsbedarf.

Weitere Informationen über das EHEC-Bakterium:

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