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Gesundheit EHEC-Epidemie

Spaniens Gurken waren es nicht. Und nun?

Korrespondent
Spanische Gurken haben die EHEC-Epidemie wohl nicht ausgelöst. Nun beginnt die verzweifelte Suche nach dem gefährlichen Darmkeim von vorn.

Leere Marktstände, volle Krankenhäuser, wieder neue Infektionen und die Gewissheit, dass man sich nicht auf spanische Gurken versteifen darf, wenn man nach der Quelle der EHEC-Epidemie sucht. Auch am Dienstag überwogen die schlechten Nachrichten die guten deutlich – vor allem im Norden.

In Hamburg zum Beispiel – und das ist fast schon überraschend bei diesem Alarm – hat der berühmte Isemarkt wie immer seine langen Reihen geöffnet. Aber an den Gemüseständen, die aus den Vierlanden, aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein, zum Teil auch nur vom Großmarkt hier rüber nach Harvestehude gerollt sind, ist gar nichts wie immer.

Gähnende Leere statt Gedränge. Tomaten und Gurken bleiben liegen, Salat hat kaum noch einer mitgebracht. Und auch beim übrigen Grünzeug, da sind sich alle Händler einig, sind die Kunden sehr, sehr skeptisch. 30, 50, 80 Prozent Umsatzrückgang, es macht einfach keinen Spaß.

Das sei ähnlich schlimm wie damals bei Tschernobyl, fasst Paul-Hermann Hell die Lage zusammen, eher noch ein bisschen schlimmer. Er ist aus Neuendorf an der Elbe nach Hamburg gekommen. Gelohnt hat sich das definitiv nicht. Andererseits, und das sagt Paul-Hermann Hell auch, könne er die Leute auch gut verstehen, bei dieser Nachrichtenlage. Wohl wahr.

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Nicht nur, dass auch am Dienstag das gewohnte Ansteigen der Fälle, Verdachtsfälle, schweren Fälle, Todesfälle weiterging. Erschwerend kam hinzu, dass der erste Anlauf, die Quelle des Übels zu erkunden, schiefgelaufen zu sein scheint. Bei zwei jener vier mit einem EHEC-Keim verseuchten Gurken aus Spanien, die vergangene Woche im Hamburger Großmarkt gefunden worden waren, steht jetzt fest: Mit dem EHEC-Keim, der die aktuelle Erkrankungswelle auslöst, haben diese Gurken nichts zu tun. Bei den beiden anderen Gurken weiß man es noch nicht genau, aber man ahnt es. Die Suche beginnt von vorn. Es wird allmählich unheimlich.

Zumal die Lage in den Krankenhäusern auch keinen Mut macht. So sorgen sich die Hamburger Asklepios Kliniken, in denen schon mehr als 400 EHEC-Patienten betreut worden sind, darum, dass inzwischen etwa die Hälfte aller Patienten mit der schweren EHEC-Verlaufsform HUS nach drei bis fünf Tagen neurologische Ausfallerscheinungen entwickelten. Dazu gehören epileptische Anfälle, Sprachstörungen, Gliederzittern, Sehstörungen und Verwirrtheit.

In vielen Fällen führt HUS auch zu akutem Nierenversagen. Patienten müssen sich dann darauf einstellen, dauerhaft auf eine Dialyse angewiesen zu sein. Entsprechend hoch ist der Pflegebedarf in den Kliniken. „Es ist eine Krisensituation“, heißt es im Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, wo die Patienten liegen, die am schwersten von EHEC betroffen sind.

Einige Ärzte und Pfleger seien aus dem Urlaub zurückgeholt worden. Teilweise würden sich sogar niedergelassene Ärzte melden, um zu helfen.

Auch in den anderen Bundesländern verzichten inzwischen immer mehr Küchen und Kantinen auf Tomaten, Gurken und Salate. „Es ist schade, aber solange es keine Entwarnung gibt, können wir keine frischen Salate machen“, sagte der Leiter der Stuttgarter Jugendherbergen, Gerrit de Vries. Auch das Studentenwerk der baden-württembergischen Landeshauptstadt schwenkte um: „Wir haben Salate und frisches Gemüse wie Gurken oder Tomaten aus dem Programm genommen“, sagte eine Sprecherin.

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Konsequente Folge dieser Art von Ernährungsumstellung: Viele Bauern sparen sich die Arbeit. So hat eine der größten Erzeugerorganisationen für Obst und Gemüse bundesweit, die „Mecklenburger Ernte“, die Gemüseernte mittlerweile komplett eingestellt.

Obwohl alle Salate und Gemüse nachgewiesenermaßen frei von EHEC-Keimen seien, nehme der Handel immer weniger ab, berichtet der Geschäftsführer der Organisation, Klaus-Dieter Wilke. Der Absatz von frischem Gemüse sei um deutlich mehr als die Hälfte eingebrochen . Allerdings nicht bei allen Abnehmern.

Gleich am westlichen Ende des Hamburger Isemarktes steht eine sehr gut frequentierte Filiale der Fast-Food-Kette McDonald’s. Einen Hamburger TS zu bestellen – also mit extra Tomate und Salat – ist hier nach wie vor das Selbstverständlichste der Welt.

Die Rezepturen der üblichen McDonald’s-Gerichte sind nicht geändert. Nur auf manch abgegessenem Tablett sieht man hier und da liegen gelassene Salatstreifen, die die Kunden zwischen den Brötchenhälften weggezogen haben. Dass der Keim, wenn es ihn denn gäbe in diesem Imbiss, dabei auch vom Salatblatt aufs Fleisch oder auf den Käse wechseln könnte, treibt hier offenbar niemanden um.

Die Schlangen an den Kassen sind lang, die Kunden einigermaßen unbesorgt. Gut, dass Paul-Hermann Hell das jetzt nicht sieht. Es wäre ein bisschen zum Verzweifeln.

Weitere Informationen über das EHEC-Bakterium:

Mitarbeit: Philipp Neumann

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