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Spanien-Gurken nicht schuld an EHEC-Erkrankungen

Die Ursache für die EHEC-Erkrankungswelle im Norden ist wieder völlig offen. Auf den spanischen Gurken fanden sich zwar Keime – aber nicht die erwarteten.

Der auf spanischen Gurken in Hamburg entdeckte EHEC-Erreger hat offenbar nicht die Erkrankungswelle im Norden ausgelöst. Auf zwei spanischen Gurken in Hamburg, die zunächst als Quelle der Erreger vermutet worden waren, fanden sich zwar EHEC-Keime – aber nicht Keime jenes Typs, der für die derzeitigen schweren Krankheitsbilder verantwortlich ist. "Unsere Hoffnung, die Quelle der schweren Komplikationsfälle mit HUS-Syndrom zu entdecken, hat sich bei diesen ersten Ergebnissen leider nicht erfüllt", sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD).

Unabhängig vom Ergebnis der noch ausstehenden zwei Proben - insgesamt gab es vier Proben – sei es richtig gewesen, die Untersuchungsergebnisse zu veröffentlichen, betonte Prüfer-Storcks - „denn die Verunreinigungen können sehr wohl EHEC auslösen“. Neben der weiteren Suche nach der Infektionsquelle werde nach wie vor auch die Ursache für die Kontamination der Gurken untersucht.

Bei der Suche nach der Quelle des Ausbruchs halten Experten inzwischen auch eine Übertragung über Tiere theoretisch für denkbar. „Es könnten Tiere infiziert sein. Es können aber auch Menschen als Überträger in Betracht kommen“, sagte Professor Helge Karch vom Universitätsklinikum Münster (UKM). Diese Möglichkeiten müssten nun überprüft werden.

Möglicherweise könnten Menschen den Keim in sich tragen, ohne dass es zum Ausbruch komme. Es müsse auch der Frage nachgegangen werden, ob entlassene EHEC-Patienten den Keim noch weiter ausscheiden.

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Der EHEC-Schnelltest, der ebenfalls in Münster vorgestellt wurde, wird nach Meinung des ärztlichen Direktors des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) „kurzfristig nicht so sehr viel helfen“. Im Augenblick seien zumindest alle Patienten im UKE mit Krämpfen im Bauchbereich und blutigen Durchfällen ausnahmslos mit dem Darmkeim EHEC infiziert, sagte Jörg Debatin im ZDF-„Morgenmagazin“. „Insofern brauchen wir diesbezüglich keinen Schnelltest.“ Der Test werde aber sicherlich langfristig helfen, „vielleicht bei weiteren Epidemien dieser Art“.

Die Uniklinik Münster hatte mitgeteilt, dass dort Wissenschaftler einen Schnelltest zum Nachweis des EHEC-Erregers entwickelt haben. Mit Hilfe des molekularbiologischen Verfahrens könnten bereits kleinste Mengen des Erregers binnen weniger Stunden auf die speziellen Eigenschaften des Ausbruchsstamms untersucht werden.

Die Hamburger Mediziner werden den Schnelltest laut Debatin nur sehr bedingt einsetzen.

Die Wissenschaftler der Uni-Klinik Münster erhoffen sich von ihrem Schnelltest zusätzlich zum Nachweis des Erregers vor allem Fortschritte bei der Suche nach der Infektionsquelle. Mit dem Verfahren könnten nicht nur Proben von Menschen untersucht werden, sondern auch von Lebensmitteln, sagte der Direktor des Instituts für Hygiene, Helge Karch. Der Test ermögliche den schnellen Nachweis des für den Ausbruch verantwortlichen Erregerstamms.

„Bisher gab es kein Verfahren, den Stamm nachzuweisen“, sagte Karch. Viel wichtiger sei aber, sagte Karch, „mit Hilfe dieser Informationen schnellstens die Infektionsquelle zu finden, um weitere Übertragungen zu verhindern“. Der Test helfe außerdem dabei zu klären, wie lange wieder genesene Patienten den Keim übertragen könnten.

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In Nordrhein-Westfalen ist ein dritter Mensch an der Darmseuche EHEC gestorben. Am Morgen erlag eine 87-jährige Frau in einem Paderborner Krankenhaus der Infektion mit dem Darmbakterium. Nach Angaben der Kreisverwaltung war die auch an Vorerkrankungen leidende Frau seit dem 23. Mai wegen schweren Durchfalls stationär behandelt worden. Das sogenannte hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) sei nicht nachgewiesen worden.

HUS kann durch EHEC-Erreger ausgelöst werden und zu Nierenversagen führen. In NRW war am Montag eine 47-Jährige im Kreis Gütersloh und bereits am Sonntag eine 91-Jährige in Paderborn an der Durchfallerkrankung mit HUS gestorben.

Niedersachsen meldet immer noch ein Anwachsen der Zahl der EHEC-Infektionen – jedoch langsamer als in der vergangenen Woche. Inzwischen seien insgesamt 264 EHEC-Infizierte und Verdachtsfälle gemeldet, teilte der Sprecher des Gesundheitsministeriums Thomas Spieker mit. Am Montag waren landesweit noch 242 Menschen in Niedersachsen möglicherweise mit EHEC infiziert.

Nach einer leichten Entspannung am Montag ist die Zahl der Erkrankten mit dem lebensgefährlichen Darmkeim EHEC in Hamburg jedoch wieder deutlich angestiegen. Bis Dienstag wurden 569 infizierte beziehungsweise Verdachtsfälle gemeldet. Von diesen Patienten wurden in den Krankenhäusern der Stadt 110 stationär aufgrund des HUS oder HUS-Verdachts behandelt. Frauen sind mit 82 Fällen überproportional vertreten.

In Berlin sind in den letzten Stunden keine Fälle hinzugekommen. 20 Menschen seien in der Hauptstadt seit dem 1. Mai an EHEC erkrankt, bei acht von ihnen sei die besonders schwere Folgeerkrankung HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom) ausgebrochen, wie die Sprecherin der Senatverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Regina Kneiding, sagte.

Bundesweit gibt es mehr als 1400 nachgewiesene EHEC-Infektionen und EHEC-Verdachtsfälle. Mindestens 15 Menschen starben nachweislich durch das Bakterium. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts sind derzeit bundesweit 329 HUS-Fälle seit Anfang des Monats bekannt. Kliniken können dem Institut jetzt freiwillig neue Fälle von blutigem Durchfall melden . Damit soll ein Überblick über den zeitlichen Trend dieser Erkrankung möglich sein.

Die Versorgung der Patienten mit EHEC ist in Deutschland nach wie vor gesichert, bleibt aber angespannt. Das sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Rande des Ärztetags in Kiel.

Die meisten Deutschen fühlen sich nicht bedroht

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Zwei Drittel der Deutschen haben trotz des Darmkeims keine erhöhte Angst um die eigene Gesundheit, wie eine repräsentative Umfrage des Kölner Meinungsforschungsinstituts YouGov ergeben hat.

  • Ein gutes Drittel (36 Prozent) macht sich Sorgen.
  • Die Warnungen vor dem Durchfallerreger hält eine Mehrheit von 61 Prozent für angemessen.
  • Nur rund jeder Vierte (27 Prozent) empfindet sie als übertrieben, elf Prozent wollten das nicht beurteilen.
  • Die Hälfte der Befragten (50 Prozent) will wegen EHEC vorübergehend auf rohes Gemüse verzichten.

Das Institut hatte bis Montag 1075 Menschen im Alter von mindestens 18 Jahren in ganz Deutschland befragt.

Eine der größten Erzeugerorganisationen für Obst und Gemüse bundesweit, die Mecklenburger Ernte, hat dennoch die Gemüseernte eingestellt. Obwohl alle Salate und Gemüse nachgewiesenermaßen frei von dem gefährlichen EHEC-Darmkeim seien, nehme der Handel immer weniger ab, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Klaus-Dieter Wilke. „Die Lage für die Erzeuger verschärft sich weiter.“ Der Absatz von frischem Gemüse sei um deutlich mehr als die Hälfte eingebrochen.

Todes- und Verdachtsfälle in Europa und der Welt

In Schweden ist laut Krankenhausangaben eine Frau an der Darminfektion EHEC gestorben. Dies ist der erste EHEC-Todesfall außerhalb Deutschlands.

Aus Spanien wird ein erster EHEC-Verdachtsfall gemeldet. Der erkrankte Mann war zuvor in Deutschland. Das teilte die Gesundheitsbehörde im Baskenland mit. Der 40-Jährige liege mit Symptomen der Darmkrankheit auf der Intensivstation eines Krankenhauses in der nordspanischen Küstenstadt San Sebastián.

Der Mann sei am 20. Mai von einer Reise durch Deutschland und andere mitteleuropäische Staaten nach Spanien zurückgekehrt. Sein Zustand sei ernst, hieß es. Bislang hatte es in Spanien keinen Fall einer EHEC-Infektion gegeben.

In Hamburg wird eine spanische Leichtathletin in einem Krankenhaus wegen einer EHEC-Infektion behandelt. Die 38-Jährige hatte in der Hansestadt an einem Marathonlauf teilgenommen.

Nach Angaben der EU-Kommission gibt es inzwischen auch in den USA drei erste EHEC-Verdachtsfälle. Das sagte Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde-Hansen. In Europa gibt es außerhalb Deutschlands nach EU-Informationen neben dem Todesfall 30 EHEC-Erkrankungen in Schweden, bei 13 der Betroffenen sei das Hämolytisch-Urämische Syndrom nachgewiesen worden. Dänemark meldete 16 EHEC-Fälle nach Brüssel, darunter sechs HUS-Erkrankungen. In Frankreich seien sechs HUS-Fälle bestätigt, in den Niederlanden würden sieben Fälle untersucht, und in der Schweiz sei eine Person an EHEC erkrankt, sagte Ahrenkilde-Hansen.

Unterdessen hat die Seuche in der Landwirtschaft einen Millionenschaden angerichtet. Sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland bleiben Bauern auf der Ware sitzen. Spanien will die EU um Hilfen bitten und prüft Schadenersatzforderungen gegen Deutschland. Spanische Bauern sehen sich vorschnell als Quelle für den Erreger an den Pranger gestellt.

dapd/dpa/

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