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Meinung Rot-Rot-Grün

Ein Bodo Ramelow ist nicht das Ende der Demokratie

Bodo Ramelow, könnte in Erfurt Ministerpräsident werden. Aber seine Wahl ist längst nicht so sicher, wie einige bereits vermuten Bodo Ramelow, könnte in Erfurt Ministerpräsident werden. Aber seine Wahl ist längst nicht so sicher, wie einige bereits vermuten
Bodo Ramelow, könnte in Erfurt Ministerpräsident werden. Aber seine Wahl ist längst nicht so sicher, wie einige bereits vermuten
Quelle: dpa
Ein Regierungschef von den Linken? Das ist ein Akt demokratischer Normalisierung. Dennoch: Das Unbehagen bleibt. Und Bodo Ramelow ist noch nicht am Ziel – er könnte eine böse Überraschung erleben.

Fast genau 25 Jahre nach dem Fall der Mauer soll die Linke, ehemals PDS, ehemals SED-PDS, ehemals SED, in Thüringen den Ministerpräsidenten stellen. Viele halten das für eine politische Zumutung, übrigens auch solche, die sich an Wendehälsen in der einstigen DDR-Blockpartei CDU nie gestört haben.

Mutige DDR-Regimegegner zeigen sich entsetzt von der Vorstellung, dass ein Linker künftig die Regierungsgeschäfte führt. Mancher zieht gar eine Verbindung von Honecker, Stasi und Wehrkundeunterricht zu der Linken im Jahre 2014. Unter Sozialdemokraten gibt es ebenfalls Widerstand. Warum sollen wir ausgerechnet jenen, gegen die wir im Herbst 1989 auf die Straße gegangen sind, nun den Weg zur Macht bahnen, fragen sie.

Halt. Stopp. Mal ganz langsam. Bodo Ramelow, also der Mann, der in Erfurt Ministerpräsident werden könnte, hat nicht die Berliner Mauer gebaut. Die Linke von 2014 ist nicht die SED von 1989. Eine mögliche Regierung aus Linker, SPD und Grünen wird keine politischen Gegner einkerkern. Deutschland, und nicht einmal Thüringen, steht in diesen Tagen nicht vor dem Ende der Demokratie.

Bei der Linken handelt es sich zweifelsohne um eine Partei innerhalb des Verfassungsbogens. Wäre sie dies nicht, müsste man sie verbieten. Ihr die Führung einer Regierung prinzipiell zu verweigern, nachdem die Wähler sie mit 28 Prozent der Stimmen zur zweitstärksten Partei gemacht haben, grenzt an Politikverweigerung. Eben genau 25 Jahre nach dem Ende der Staatspartei DDR, 24 Jahre nach der Bildung des Freistaates Thüringen wäre die Wahl eines Linken (aus Westdeutschland) zum Ministerpräsidenten vielmehr ein Akt demokratischer Normalisierung.

Die Basis bleibt unberechenbar

Und doch muss man Unbehagen empfinden mit der Vorstellung, dass die Linke künftig in Thüringen die Exekutive führt. So pragmatisch deren Kommunalpolitiker agieren, so wenig überzeugend haben Ramelow und seine Leute in den vergangenen Wochen agiert. Das Zögern, die Wahrheit auszusprechen, nämlich die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen, ließ einen mehrfachen Mangel erkennen: an politischer Weitsicht, an historischer Bildung, an kritischer Selbstreflektion.

Die Präsenz von zwei ehemaligen Stasi-Mitarbeitern in der Linken-Fraktion hat mehr als ein Geschmäckle. SPD und Grüne, also die Parteien, in denen bis heute viele „1989er“ aktiv sind, haben der Linken also noch allerlei Geschichtsstunden zu erteilen. Wenn die Linke jetzt in Thüringen Verantwortung übernimmt, nachdem sie seit 1990 in der Opposition Verbal-Kraftmeierei betrieben hat und Anträge allenfalls für den Papierkorb formuliert hat, kann man ihr nur zurufen: Dann regiert mal schön!

Doch weder Ramelow noch das fragile Bündnis mit seiner Ein-Stimmen-Mehrheit sind am Ziel. Das Votum der Grünen-Spitze am Donnerstag mag eine Formalie sein, der Ausgang des Mitgliedervotums der SPD ist hingegen völlig ungewiss. Die Thüringer Sozialdemokraten wissen, dass die Empfehlung ihres Landesvorstandes für Rot-Rot-Grün keiner tiefen Überzeugung entspricht (und dass man ebenso gut weiter mit der CDU regieren könnte). Man sollte die 4500 weitgehend unbekannten Thüringer SPD-Mitglieder in ihrer geheimen, freien und gleichen Wahl nicht unterschätzen.

Erst jüngst, bei der SPD-internen Kür des Nachfolgers von Klaus Wowereit in Berlin, zeigte sich: Die viel beschworene Basis tickt zuweilen ganz anders als die Funktionäre, die bisher in der SPD das Wort hatten. Eine Überraschung, sprich: ein Nein zu dem Ergebnis der rot-rot-grünen Sondierungen, ist gewiss möglich.

Ohnehin hat Bodo Ramelow noch eine geheime Wahl im Landtag zu bestehen. Gerade in diesen Wochen erleben die teilweise recht autoritär geprägten Linken, wie beschwerlich demokratische Prozesse zuweilen sind. Eigentlich ist es höchste Zeit, dass die oppositionsgewohnte und oppositionsgeprägte Linke in Thüringen endlich die noch viel mühsamere Arbeit aufnimmt: das verantwortliche Regieren, beobachtet von einer wachen Öffentlichkeit – und kontrolliert von einer starken Opposition.

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