Christian Jankowski, Kurator der Manifesta 11, über Geld, Kooperationen, Locations und den professionellen Blick auf die Welt.
Herr Jankowski, Zürich gilt mit seinen Museen, Galerien und Kunstzentren als «Kunststadt», gleichzeitig gibt es immer wieder Polemiken gegen Kunst, speziell wenn sie im öffentlichen Raum präsentiert wird. Haben Sie sich mit diesen Empfindlichkeiten auseinandergesetzt?
Hab ich nicht, und ich denke, das muss ich auch nicht. Die Ausstellung soll in «Corporate Spaces» stattfinden, also in Räumen, über die die Teilnehmenden selber verfügen.
Wo kann man denn das Kunstwerk besichtigen, wenn Sie zum Beispiel einen Künstler und einen Bäcker zusammengebracht haben? In der Backstube?
Ja. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit medial begleitet; denn wenn ich in einem Banktresor eine Arbeit mache, wo nur sehr beschränkt Publikum eingelassen wird, wäre das in einer medialisierten Form dann trotzdem sichtbar.
Ihr Konzept, die Ausstellung auf den ganzen Stadtraum zu verteilen, steht ja in bester Manifesta-Tradition.
Nicht nur: Ein tolles Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen einem Künstler und einer städtischen Institution sind Sigmar Polkes Fenster im Grossmünster. Ich fände es toll, wenn die Leute sich so mit einem Werk identifizieren, dass sie nach hundert Tagen sagen, es soll nicht abgebaut werden. Ich hoffe, dass sich die Leute mit der Manifesta identifizieren werden.
Sie haben angedeutet, dass Sie für die Manifesta einen Pavillon erstellen lassen möchten, also eine eigene Architektur.
Ja, denn die Räume existieren alle schon. Die Manifesta braucht aber auch etwas Ikonisches.
Aber Sie wissen noch nicht, wo ein solcher Pavillon hinkommen, und auch nicht, wer ihn bauen soll.
Stimmt. Es wäre schön, wenn der Pavillon nahe bei der Stadt wäre, aber auch etwas mit der Natur zu tun hätte, etwas ausserhalb vom Arbeitskontext, der ja unser Thema ist. Ich könnte mir vorstellen, für den Entwurf mit Studenten zusammenzuarbeiten.
Haben Sie vor, die Zürcher Bevölkerung auf die Manifesta vorzubereiten?
Da sind wir gerade dabei . . . Ich hoffe natürlich, dass eine Eigendynamik entsteht. Angenommen, die Polizei macht bei einem grossen Projekt mit, dann wird die Ausstellung ihres Künstlers auch zu ihrem Manifest, zu ihrer Produktion. Einzelne Publikumsgruppen werden also ihre eigene Wahrnehmung entwickeln. Wenn wir die Ausstellung bei der Polizei eine Woche vor der Manifesta eröffnen, laden die Polizisten ihre Familien und Freunde ein. Natürlich ist auch ein Kamerateam von uns dabei und dokumentiert die Rezeption in diesem Kreis. Wenn das festgehalten ist, kann man die Rezeption später auch diskutieren.
Wie sehen Sie Ihre Doppelrolle als Künstler und Kurator?
Ich fasse die Manifesta als ein Gesamtkunstwerk auf. Obschon ich mich nicht selber als Künstler einlade, hängt die Ausstellung nah mit meinen eigenen künstlerischen Interessen zusammen.
Pfropft die Manifesta der Stadt eigentlich eine Ausstellung auf, oder gibt es feste Kollaborationen mit Zürcher Personen oder Institutionen – etwa dem Kunsthaus, dem Migros-Museum oder mit einzelnen Galerien?
Die Manifesta verfügt über eine grosse, eingespielte Infrastruktur. Wenn die Kunst nach einer Zusammenarbeit verlangt, kann das alles entstehen.
Grosse Festivals wie die Documenta oder andere Biennalen trumpfen bisweilen mit einem komplexen theoretischen Fachdiskurs auf. Worauf müssen wir uns gefasst machen?
Ich habe mir mal gedacht, man müsste während der ganzen Manifesta einen Schauspieler anstellen, der die alten Kataloge mit diesen Theorien permanent vorliest. Man erhält manchmal den Eindruck, als wollten gewisse Kuratoren die ganze Theorie, die sie absorbiert haben, und alles, was sie jemals gedacht haben, in den Katalog einbringen.
Was machen Sie eigentlich mit Kritiken, die Ihnen vorwerfen, das Geld für das Experiment Manifesta sei zum Fenster hinausgeschmissen?
Dass die Schweizer selber mitbestimmen können, wo das Steuergeld hinfliesst, finde ich eigentlich sehr sympathisch. Ich könnte mir gut vorstellen, im Katalog auszuweisen, wofür das Biennale-Geld ausgegeben wurde. Ich frage mich manchmal selber, ob das Verhältnis zwischen dem Budget für die Kunst und den Kosten für die Infrastruktur im richtigen Verhältnis sei – auch im Vergleich zu anderen Ausstellungen.
Die Manifesta ist eine europäische Institution, während die Schweiz politisch ja abseits steht. Ist das für Sie in irgendeiner Form ein Thema?
In der Praxis, im Austausch zwischen Künstlern und ihren Gastgebern, werden dazu möglicherweise Erfahrungen in die Arbeiten einfliessen. Mutmassungen kann ich dazu keine anstellen.