Erfahrungsbericht von Oli Kube – Ludwigsburg. Eine Gruppierung namens Primus inter Pares, die den Reichsbürgern zuzuordnen ist, lud am Sonntag, 17. Januar, in ein Ludwigsburger Hotel ein. Bei der Veranstaltung sollte unter anderem über „Asylanten als Invasoren“ gesprochen werden. Neben rund zwanzig GegendemonstrantInnen war die Polizei nach eigenen Angaben mit vierzig Einsatzkräften vor Ort, um bei Auseinandersetzungen einschreiten zu können. Es gab aber keine. Hier ein Erfahrungsbericht des Ludwigsburger Stadtrats Oli Kube über einen ziemlich merkwürdigen Nachmittag.
Es gibt wohl keinen passenderen Locationnamen als Krauthof für die Veranstaltung einer Gruppe, die fest daran glaubt, dass das Deutsche Reich weiterhin existiert. Primus inter pares nennt sich der Verein, der gemeinnützig sein will. Es handelt sich um eine geschlossene Veranstaltung, dennoch macht ein Flyer im Internet die Runde. Der Vortrag verspricht „Wahrheiten“ der besonderen Art: „Geplante Umvolkung der BRD, Asylanten als Invasoren, geplante Vernichtung der Christen und der weißen Rasse“ sind nur ein Teil der Themen, die der Referent Gerhard Föll in einer „generalistischen Übersicht“ präsentieren möchte.
Eine halbe Stunde vor Beginn des Vortrags versammeln sich zirka 20 AktivistInnen und zwei Echsenmenschen auf dem schon halb verschneiten Krauthof-Parkplatz. Mithilfe von Aluhüten schützen sie sich wirksam vor Gedankenkontrolle, zeigen Schilder mit Botschaften wie „Es gibt keinen Schnee“ und markieren mithilfe von Absperrband und einem Transpi einen Teil des Parkplatzes als „Ufolandeplatz“. Auch ich setze mir einen Aluhut auf, schließlich muss ich mich davor schützen, dass die Reichsbürger meine Gedanken kontrollieren.
Politisch rechts? I wo!
Ein Vertreter von Primus inter pares wundert sich über die Polizeipräsenz am Haupteingang des Krauthofs. Er ist hellauf entsetzt, als er erfährt, dass es Gegenproteste gibt, und kann überhaupt nicht verstehen, weshalb irgendjemand seinen Verein politisch rechts einordnet. Nach Hinweis auf die Formulierungen auf dem Einladungsflyer räumt er nur ein, dass es „missverständlich formuliert“ sei, aber die Faktenlage über einen geplanten „Bevölkerungsaustausch“ eindeutig sei.
Meine Nachfrage, ob es sich dabei um so etwas Ähnliches wie einen Schüleraustausch handle, bleibt unbeantwortet. Herr Kraut ist gar nicht begeistert von den humorvollen Protestlern, er verweist sie des Geländes. Mit dem Reichsbürger-nahen Verein hat er keine Probleme, bei ihm sei jeder willkommen, der sich benehme, so zitiert ihn die Stuttgarter Zeitung.
Der Referent lud auch Stadträte der Linken ein
Die Polizei hält mich – aufgrund meines Aluhuts, und nicht ganz zu Unrecht – ebenfalls für einen Gegendemonstranten und möchte mich vom Gelände schicken. Ich sage, dass der Referent meine Stadtratsgenossin Claudia Dziubas und mich zu seinem Vortrag eingeladen hat. Irrwitzigerweise stimmt das sogar. Wie man als Linke-Stadtrat, der eine Woche zuvor in der Stuttgarter Zeitung mit „Das ist nicht nur eine Spinnerei, sondern eine gefährliche Spinnerei“, zitiert wurde, zu einer Einladung des Referenten eines solchen Vortrags kommt, dazu später mehr.
Zu dritt – Jochen Faber begleitet uns, er ist Vorsitzender des Arbeitskreises Synagogenplatz, der sich ebenfalls ein Bild von den Reichsbürgern machen möchte – begeben wir uns schließlich zu Recherchezwecken hinunter in Richtung Veranstaltungssaal. Der Vereinsmensch, der am Eingang sitzt, möchte gerne pro Person 10 Euro. Wir möchten unser Geld gerne behalten. Zudem müsse man, um den Vortrag anzuhören, eine Tagesmitgliedschaft erwerben und zu diesem Zwecke ein Formular ausfüllen und die Vereinsregeln akzeptieren.
Dann doch lieber keine Tagesmitgliedschaft …
Die Fragen auf dem Formular zielen vor allem auf die Abstammung ab: Ob ein Ahnennachweis von vor 1913 vorliege, welcher Abstammung man sei („Preuße, Bayer, usw.“) und ob man im Besitz eines „Gelben Scheins“ sei. Zu den Vereinsregeln gehört unter anderem ein Verbot, über die Veranstaltung zu berichten.
Als wir uns weigern, zu bezahlen und das Formular auszufüllen, ruft er den Referenten. Dieser ist so überzeugt davon, uns mit seinen „Wahrheiten“ beeindrucken zu können, dass er versucht, uns kostenlosen Eintritt zu verschaffen. Der Verein bleibt hart – vermutlich aus Gründen. Wir gehen wieder – ebenfalls aus Gründen. Wir gesellen uns wieder zu dem Gegenprotest, der inzwischen an der Einfahrt aufgeschlagen hat.
Einige der – überhaupt nicht rechten – TeilnehmerIinnen der Veranstaltung haben sehr eindeutige Aufkleber (zum Beispiel Reichsflagge) an ihren Autos oder sogar auf ihren Kennzeichenschildern. In einem weißen Smart mit dem vielsagenden Kennzeichen mit der Endung „AH 1488“ liegen NPD-Bändchen, Hakenkreuzanhänger, Pfefferspray und Tonfa (Schlagstock mit Quergriff) für Außenstehende sichtbar herum. Für Herrn Kraut sind weiterhin die jungen Menschen, die friedlich und fröhlich vor seiner Einfahrt stehen, die Bösen.
Der Krauthof und die Gästeauswahl des Herrn Föll
Die Vorgeschichte zu dieser Veranstaltung brachte einige Verwirrung und Kuriositäten mit sich.
Vor einigen Monaten: Am Linke-Infostand (wir sammelten Unterschriften für die Landtagswahl) kommt ein älterer Herr auf uns zu. Er bietet uns an, für die Linke einen Vortrag zum Thema Klimawandel zu halten. Ohne dafür zu diesem Zeitpunkt einen stichhaltigen Grund dafür zu haben, sind wir sehr skeptisch – unser „Bauchgefühl“ warnt uns. Wir sagen ihm, dass wir ihn nicht einladen, ohne vorher seinen Vortrag mal gehört zu haben.
Vor zirka zwei Wochen: Föll schickt meiner Stadtratsgenossin eine Einladung per Mail, sie dürfe „mit Ehegattin“ gerne zu der Veranstaltung im Krauthof erscheinen. Mit dabei: der Flyer mit der sehr eindeutigen Themenauswahl. Damit war die Sache eigentlich erst mal erledigt.
Freitag, 8. Januar: Die Stuttgarter Zeitung veröffentlicht auf ihrer Online-Präsenz einen Artikel über die geplante Veranstaltung. Herr Kraut sehe keinen Grund, dieser Gruppe abzusagen. Der Artikel beinhaltet eine kurze Stellungnahme meinerseits.
Samstag, 9. Januar: Die Ludwigsburger Kreiszeitung berichtet von einer Verlegung der Veranstaltung nach Oeffingen. Claudia Dziubas fragt Föll per Email, wo der Vortrag denn nun stattfinde. Föll antwortet abends, es bleibe beim Krauthof. Er „versichtert verbindlich“, dass sein Vortrag keine rechtsradikalen, rassistischen oder antisemitischen Inhalte oder Parolen enthalte, sondern nur Wahrheiten. Er verweist und verlinkt auf einige Wahrheiten auf compact-online, einer Seite, die Veranstaltungen von AfD und Pegida bewirbt und für rechte, rassistische und antisemitische Inhalte bekannt ist.
Zudem klagt er über die „Lügenpresse“ (gemeint ist damit der StZ-Artikel). Er behauptet auch, dass gar kein Redakteur mit Herrn Kraut gesprochen habe, sondern nur eine Sekretärin, die ihm die Veranstaltung ausreden wollte. Der werte Herr Föll kann sich wohl nicht vorstellen, dass es auch Redakteurinnen gibt.
Montag, 11. Januar: Eine Bürgerin aus Ludwigsburg fragt im Krauthof an, ob diese Veranstaltung dort wirklich stattfindet, und drückt ihren Protest dagegen aus. In der Antwortmail eines Mitarbeiters steht, Herr Kraut habe nicht gewusst, um was für eine Gruppierung es sich handle, und habe deshalb auch nicht die passende Antwort auf die Anfrage der Stuttgarter Zeitung gegeben. Zitat aus der Email des Krauthofmitarbeiters: „[…] Allerdings eine rechte Gruppierung wird im Krauthof keine Zuflucht finden für kein Geld der Welt. Die Veranstaltung findet auch nicht statt.“
Hat Herr Kraut sich also informiert und/oder dem öffentlichen Druck nachgegeben und seine Meinung geändert? Wir bleiben skeptisch und rufen als „eingeladener Gast“ abends im Krauthof an. Man teilt uns mit, dass die Veranstaltung definitiv dort stattfinden werde. Claudia Dziubas schreibt nach Absprache mit mir eine Email an Herrn Föll, in der sie betont, dass meine Stellungnahme in der StZ mit ihr nicht abgesprochen gewesen ist, und sie sich trotz Skepsis den Vortrag gerne anhören möchte.
Dienstag: 12. Januar: Herr Föll schreibt in einer Mail an Claudia Dziubas , er nehme an, dass ich von dem Redakteur zu dieser Aussage gedrängt worden wäre, und ich dürfe gerne mitkommen und mich selbst von der „Wahrheit“ überzeugen.
Es wäre tatsächlich interessant gewesen zu erfahren, was dieser Mensch auftischt, um jemanden wie Claudia Dziubas oder mich von seinen kruden Ansichten zu überzeugen. Allerdings nicht für den Preis von 10 Euro und einer „Tagesmitgliedschaft“ bei einem Reichsbürger-Verein.
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