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WoW: Privat-Server und Urheberrechte - das sagt ein Anwalt zum Thema Nostalrius

Wir haben mit einem Anwalt gesprochen, der sich mit dem Thema Computerspiele auskennt und ihn zu Privat-Servern für World of Warcraft befragt. Was er über die rechtliche Situation zu sagen hat und warum Privat-Server eigentlich Piraten-Server heißen sollten, lest ihr in unserem Special.

WoW: Privat-Server und Urheberrechte - das sagt ein Anwalt zum Thema Nostalrius
Quelle: Blizzard
Maria Beyer-Fistrich World of Warcraft: Videos, Guides, News und mehr

Das Thema Classic-Server für World of Warcraft geistert seit vielen Jahren durch die Community und bekam im April diesen Jahres nach der Schließung des beliebten Privat-Servers Nostalrius wieder erheblichen Aufwind. Was genau nach dem Shutdown des Servers passierte, haben wir vor wenigen Wochen in einem ausführlichen Artikel rekapituliert und uns dabei hauptsächlich auch über die entstandene "Anti-Diskussionskultur" geärgert, in der sich Befürworter und Gegner von Classic-Servern beziehungsweise auch Privat-Servern gegenseitig mit Argumenten bewerfen. Wir haben im angesprochenen Artikel erklärt, dass wir bezüglich der rechtlichen Situation die Meinung eines Anwalts einholen, der sich mit dem Thema auskennt. Im folgenden Artikel gehen wir ganz neutral auf die häufig aufkommenden Argumente in der Diskussion ein. Rede und Antwort stand uns dafür Dr. Andreas Lober.
Dr. Andreas Lober Quelle: Beiten Burkhardt Dr. Andreas Lober ist Partner in der Rechtsanwaltskanzlei Beiten Burkhardt. Er berät seit 15 Jahren Computerspieleunternehmen, zuvor war er als Games-Journalist tätig. Zurzeit spielt er Doom, Watch Dogs 2, Witcher 3 und Gears of War 4. Maria: Wichtig ist vor allem die Frage, nach den Urheberechten, die von Betreibern solcher Privat-Server verletzt werden. In der Community hört man schließlich oft das Argument, dass durch die Emulation der Server-Software keine solche Rechteverletzung vorliegt und die Betreiber somit auf der sicheren Seite sind.

Dr. Andreas Lober: Die Vervielfältigung oder öffentliche Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Werken ohne Zustimmung des Rechteinhabers - also beispielsweise Blizzard - ist eine Urheberrechtsverletzung. Spiele, aber auch einzelne Elemente daraus (wie beispielsweise Bilder, Artworks, Charaktere) sind urheberrechtlich geschützte Werke. Ich halte es für technisch ausgeschlossen, einen Privat-Server (die richtigere Bezeichnung dafür ist Piraten-Server, denn privat ist an diesen Servern nichts) aufzusetzen, ohne Urheberrechte zu verletzen. Selbst wenn die Server-Software nicht kopiert würde, sondern nur emuliert würde, bliebe die Vervielfältigung von Datenbanken verboten, meist wird zudem Bildmaterial verwendet und ohne eine unzulässige Veränderung des Clients und dessen widerrechtliche Verbreitung geht es auch nicht. Im Übrigen halte ich es für eine Legende, dass die Server-Software nur emuliert wird. Häufig werden zudem Markenrechte verletzt, gelegentlich auch Wettbewerbsrecht und Steuerrecht.

Maria: Es sind also nicht nur die eigentlichen Assets und Daten geschützt, sondern auch Wettbewerbsrecht, Steuerrecht und Markenrechte spielen eine Rolle. Passend dazu kommt auch immer wieder das Argument auf, dass Spieler schließlich kurz vor dem Start in die Spielwelt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen beziehungsweise die EULA bestätigen und sich somit auch bereit erklären, keine Veränderungen am Client vorzunehmen. Doch inwiefern sind die die AGBs bindend beziehungsweise sind in Deutschland gültig?

Dr. Andres Lober: Voraussetzung für die Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen - zu denen auch EULA gehören - ist deren wirksame Einbeziehung in den Vertrag. Deshalb werden diese bei nahezu allen Online-Spielen vor der Registrierung für das Spiel angezeigt. Weitere Voraussetzung ist nach einer neueren Gerichtsentscheidung, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werden. Wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Prinzip. Sofern einzelne Klauseln unklar sind oder den Nutzer unangemessen benachteiligen, sind diese unwirksam. Großzügiger ist die Rechtsprechung bei reinen Spielregeln: An diese werden nicht dieselben strengen Anforderungen gestellt, denn der Spieleanbieter soll frei sein, die Regeln zu gestalten, die in seinem Spiel gelten.

Maria: Eine weitere These, die in der Diskussion um die Legalität von Privat-Servern immer wieder auftaucht, ist die Behauptung, dass Blizzard Entertainment gegen die Betreiber vorgehen muss, um die eigenen Rechte zu schützen. Stimmt das?

Dr. Andreas Lober: Jein. Der Schutz einer Marke wird tatsächlich schwächer, wenn der Inhaber nicht gegen Verletzungen vorgeht. Technisch spricht man von einer Verwässerung. Bei Urheberrechten gilt das nicht. Aber natürlich ist das Management jeder Firma erst einmal gehalten, die Rechte des Unternehmens zu wahren.

Maria: Im Jahr 2010 erregte die Klage gegen Scapegaming viel Aufsehen. Blizzard hatte Alyson Reeves, die Betreiberin mehrerer Privat-Server für World of Warcraft verklagt und gewonnen. Reeves nutzte für die Server ein Mikro-Payment-System, mit dem sie sich nicht nur Level-Aufstieg, sondern auch gleich für das Aushändigen von epischen Klamotten in World of Warcraft bezahlen ließ. PayPal brachte dann wahrscheinlich den Stein ins Rollen, denn Reeves hatte laut dem Konzern mehr als drei Millionen US-Dollar in ihrem Account. Das Gericht verurteilte Reeves zu einer Strafe von knapp 88 Millionen US-Dollar, die sich aus Anwaltskosten (64.000 US-Dollar), den illegal erwirtschafteten Gewinnen in Reeves PayPal-Konto (3 Millionen US-Dollar) sowie einem Schadensersatz gegenüber Blizzard (85,4 Millionen US-Dollar) zusammensetzen. Die Höhe der Schadensersatzsumme erklärte das Gericht mit der Anzahl an Spielern, die sich auf den Privat-Servern von Scapegaming tummelten und multiplizierte diese mit 200. Das Gericht begründete das Urteil damit, dass Scapegaming eine Urheberechtsverletzung begangen habe. Was Reeves dazu sagt? Sie erschien nicht zum Prozess. Damals dachten viele Spieler, dass Blizzard ab sofort härter gegen Betreiber von Privat-Servern vorgehen würde. Jedoch ist das nicht der Fall, weshalb viele Fans meinen, dass Blizzards-Anwälte nur aktiv werden, wenn es um solche Summen wie im Fall von Reeves geht. Sind Privat-Server vielleicht nur verboten, wenn die Betreiber Geld damit verdienen?

Dr. Andreas Lober: Nein. Dann entfällt höchstens (in manchen Fällen) der Vorwurf der Markenrechtsverletzung. Der Kernvorwurf - Urheberrechtsverletzung - bleibt bestehen, auch bei solchen Piraten-Servern, bei denen kein einziger Cent erwirtschaftet wird. Aber: Gewerbliche Anbieter werden ungleich härter verfolgt.

Maria: Meist reichen schon Unterlassungserklärungen wie im Fall von Nostalrius aus, um dem Server den Todesstoß zu versetzen, weil die betroffenen Parteien einlenken. Es braucht also keine Klage wie beim Scapegaming-Urteil. Vor wenigen Wochen kündigte das Nostalrius-Team jedoch an, den Code ihres Servers an ein bestimmtes Team weiterzugeben, damit der Nostalrius-Server wieder "auferstehen" kann. Danach möchten die ehemaligen Nostalrius-Betreiber den Code der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Das Team des "neuen" Nostalrius-Servers erklärte bereits, eventuelle Unterlassungserklärungen ignorieren zu wollen. Viele Spieler begrüßten die Ankündigung und meinen, dass Blizzard dem neuen Privat-Server nichts anhaben könne, weil dieser in einem Land gehostet wird, in dem Blizzard es schwer hat, seine Forderungen durchzusetzen. Was kann Blizzard also gegen einen solchen Server unternehmen, wenn er in einem Land steht, in dem das Urheberrecht angeblich nicht so viel wert ist?

Dr. Andreas Lober: Tatsächlich werden Piraten-Server nach nahezu allen Rechtsordnungen illegal sein. Allerdings ist in manchen Rechtsordnungen die Durchsetzung der Rechte schwieriger. In manchen Ländern ist es sicher hilfreich, Kontakte zu den Behörden vor Ort zu haben. Die entscheidende Frage ist in der Regel weniger, wo der Server steht, sondern eher, wo die Betreiber sitzen. Wenn dies verschleiert wird, helfen teilweise technische Experten dabei, die Spuren der Betreiber zu finden und diese aufzuspüren. Wir haben für Mandanten in vergleichbaren Fällen - bei entsprechender Indizienlage - auch bereits Wohnungen öffnen, Geschäftsräume besichtigen und Server beschlagnahmen lassen. Eine andere Variante kann sein, gegen Unterstützer der Angebote vorzugehen, wenn man an diese leichter kommt.

Maria: Gerade der letzte Satz ist spannend, denn im Fall von Nostalrius ging die Unterlassungserklärung schließlich nicht nur an das Programmierer-Team, sondern auch direkt an den französischen Hoster OVH, und der hat verständlicherweise kein Interesse an einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Ob die neuen Betreiber eine eventuelle Unterlassungserklärung einfach ignorieren können, ist demnach fraglich, wenn sie sich ebenfalls wieder an den Server-Host richtet - und der soll laut Gerüchten in diversen Foren erneut OVH sein. Die Betreiber sitzen angeblich aber nicht in Frankreich, sondern in einem Land der ehemaligen Sowjetunion. Wenn es zu einer Klage kommen sollte, was droht dann eigentlich den Betreibern und Spielern auf einem Privat-Server?

Dr. Andreas Lober: Betreibern drohen schlimmstenfalls 5 Jahre Gefängnis und Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe. Spielern würden theoretisch bis zu drei Jahre Gefängnis drohen. Es ist aber äußerst unwahrscheinlich, dass gegen eine Privatperson eine Gefängnisstrafe verhängt wird, nur weil er auf einem Piraten-Server spielt.

Maria: Mancher mag den Classic-Community-Gedanken unabhängig von Urheberechtsverletzungen der Privat-Server-Betreiber ja noch romantisch finden und die Hingabe solcher kleinen Programmierer-Teams schätzen, wenn man sich aber selber mit der Möglichkeit einer fünfjährigen Haftstrafe konfrontiert sieht, verschiebt sich die Perspektive sicherlich. Selbst wenn das neue Team die Chuzpe hat und gegen Blizzard Entertainment vor Gericht zieht, welchen Chancen hätten sie? Gibt es vergleichbare Fälle, in denen Betreiber von Privat-Servern vor Gericht gewonnen haben?

Dr. Andreas Lober: Mir wäre kein Fall bekannt.

Was sagt ihr zum Thema? Sind noch Fragen bei euch offen, dann stellt sie doch einfach per Kommentarfunktion und wir versuchen, noch weitere Dinge zur rechtlichen Situation für euch klarzustellen. Mehr zum Thema World of Warcraft und Nostalrius findet ihr auf unserer Themenseite.

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      Kellner38
      29.11.2016 19:15
      4 x gebufft
      Melden
      Ist das Spielen auf Classic-Server illegal? Vermutlich nicht
      Ist das Betreiben eines solchen Servers illegal? Vermutlich schon
      Ist das alles so einfach zu interpretieren wie es der Anwalt hier tut? Vermutlich nicht

      Trotzdem wird der Classic-Community hier wieder gesagt, wie asozial sie nicht sind (nur in anderem Wortlaut) und was früher nicht alles "scheiße" war (Danke für die Auflistung Anastar). Was der Classic-Community oder generell anderen Menschen gefällt oder missfällt hast du nicht zu beurteilen. Wenn andere gerne zum Zahnarzt gehen ist das so, wenn andere Pizza hassen dann ist das so. Das hast du nicht zu beurteilen.
      Dann wird uns natürlich wieder vorgeworfen wir fordern soviel (danke Hocko) und das tolle Argument "es gibt sowieso nicht genügend Spieler" darf natürlich auch nicht fehlen. Hier auf Buffed ist es ja im Vergleich zum offiziellen Forum noch gemütlich, dort sollen alle Spieler auf P-Servern ja gleich ins Gefängnis. :wallbash

      Da macht auch das Diskutieren wenig Sinn, wenn man andauernd Blödsinn hoch 1000 liest. Wieviele Spieler schlussendlich Classic spielen wollen weiß niemand und es kann keiner auch nur annähernd beurteilen. Die Population von Nostalrius oder die unterschrieben Petition ist nicht einmal annähernd ein Anhaltspunkt oder lässt Spekulationen zu.

      Wir fordern nichts! Nur, dass der bald eröffnende Server nicht geschlossen wird. Mehr wollen wir nicht! Offizielle Classic-Server wären toll, aber solange Blizzard die bestehenden in Ruhe lässt ist mir das alles relativ egal.

      Und bitte redet nicht von Urheberrecht, jeder der hier im Forum schreibt, hört illegal heruntergeladene Lieder, schaut Filme, hat sich von einem Kollegen schon mal das neueste Spiel gebrannt oder was auch immer!

      Wenn euch Classic-Server nicht interessieren meidet solche Beiträge, es bringt nichts zum hundertsten Mal zu erklären was früher nicht alles scheiße war oder wie illegal das nicht ist, oder wie asozial wir nicht sind weil es uns egal ist. Ich hab noch fast keinen hier getroffen, der in seinem Beitrag nicht wirklich mal konstruktive Argumente beitragen kann und wenn dem nicht so ist bleibt bei euren Legion-Themen

      Danke
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