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Profit-Gier in Rumänien
Patienten sterben wegen verdünnter Desinfektionsmittel

Korruption und mangelnde staatliche Kontrolle haben in Rumänien offenbar viele Krankenhaus-Patienten das Leben gekostet. Desinfektionsmittel waren aus Profit-Gier so verdünnt worden, dass sie unwirksam wurden.

Von Stephan Ozsváth | 07.07.2016
    Feuerwehr und Polizei bei ihrem Einsatz an der Diskothek in Bukarest, Rumänien.
    Die Feuerwehr im Einsatz beim Brand in einer Bukarester Diskothek.Viele Opfer sterben erst später im Krankenhaus an Keimen. (picture alliance / dpa / Robert Ghement)
    Ende Oktober 2015. Im Bukarester Rock-Klub "Colectiv" brennt die Raumisolierung lichterloh. 64 Tote fordert das Unglück. Viele Opfer sterben nicht an den Verletzungen, sondern an Krankenhauskeimen. Der Investigativ-Journalist Catalin Tolontan beginnt zu recherchieren.
    "Im letzten Dezember haben wir die Aussage eines Arztes aus dem Krankenhaus für Brandverletzte veröffentlicht - er arbeitet seit 30 Jahren dort. Dieser Arzt sagte: 'Wir haben die Brandverletzten des Klubs 'Colectiv' vor einer Feuerbombe gerettet und sie einer Mikroben-Bombe in unseren Spitälern ausgesetzt.'"
    Tolontan und seine Kollegen können dokumentieren, dass 13 Brandopfer an multiresistenten Keimen gestorben sind. Die Journalisten decken dabei einen handfesten Skandal auf. Hexi-Pharma – Marktführer für Desinfektionsmittel und Hauptlieferant der 450 Krankenhäuser in Rumänien – hat die Produkte jahrelang verdünnt, um mehr Profit zu machen. Der Bukarester Chirurg Bogdan Tanase, Gründer der Antikorruptionsbewegung "Ärzteallianz", ist entsetzt.
    Desinfektionsmittel ist unwirksam
    "Wie man sieht, ist in Rumänien nichts unmöglich. Sogar in einem Operationssaal, wo ein Patient doch voller Vertrauen sein Leben und seine Gesundheit in die Hände der Ärzte legt. Selbst dort - müssen wir nun feststellen - wird nicht so kontrolliert wie nötig. Denn hier werden Substanzen verwendet, die der Staat nicht kontrolliert und die, mehr noch, nicht einmal das enthalten, was auf dem Etikett steht."
    Die Desinfektionsmittel sind so verdünnt, dass sie unwirksam sind. Ein Informant spielt den Rechercheuren entsprechende Verdünnungsanleitungen der Firma zu. Die Journalisten finden noch mehr heraus: Der Geheimdienst wusste seit Jahren von dem Sumpf. Generalstaatsanwalt Augustin Lazar musste kürzlich einräumen:
    "Es gibt eine ganze Anzahl von Informationen, die verschiedenen Behörden, darunter auch einigen Staatsanwaltschaften mitgeteilt wurden. Darin geht es um Hinweise betreffend verschiedene mögliche Straftatbestände im Gesundheitswesen und wir prüfen nun, ob und wie ermittelt wurde."
    Gesundheitsminister musste gehen
    Das Gesundheitsministerium in Bukarest hatte zunächst abgewiegelt. Labortests auf Bakterien hätten die Wirksamkeit der Produkte bewiesen. Arzt Bogdan Tanase schimpft. "Es ist nur auf Bakterien getestet worden, nicht auf Viren, auf Sporen, auf Pilze. Nur auf Bakterien."
    Anfang Mai forderten Demonstranten den Rücktritt des zuständigen Gesundheitsministers Cadariu. Der ist mittlerweile nicht mehr im Amt. Und der Hexi-Pharma-Besitzer starb Ende Mai bei einem Auto-Unfall. Viele Fragen bleiben offen.
    "Wie viele Behörden versucht haben, diese Affäre zu vertuschen, kann ich nicht genau sagen", meint Journalist Tolontan. "Aber wir haben Papiere, die belegen: Vom Gesundheitsministerium bis zu den Krankenhausleitungen, von der Antikorruptionsbehörde DNA, der Sonderstaatsanwaltschaft gegen organisiertes Verbrechen bis zur Generalstaatsanwaltschaft – sie alle haben über die Hexi-Pharma Bescheid gewusst: die gefälschten Ausschreibungen, die Verdünnungen, den Etikettenschwindel."