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Kommentar zu Sigmar Gabriel in Israel

Ahnungslos ist noch geschmeichelt

Man muss Benjamin Netanjahu – diesen wankelmütigen Politiker und Machtmenschen – nicht mögen. Seine Entscheidung, den deutschen Außenminister Sigmar Gabriel nicht zu treffen, sollte man aber gut finden. Denn dadurch findet vielleicht endlich einmal eine intensivere Beschäftigung mit den in Israel wirkenden Nichtregierungsorganisationen (NGOs) statt.

Oliver Kreth

Sigmar Gabriel in Israel.
Sigmar Gabriel in Israel. Foto: dpa

In keinem Land der Erde gibt es mehr NGOs. Hauptgeldgeber sind fast immer die EU und/oder Deutschland. Zum überwiegenden Teil sind sie nicht nur Israel-kritisch, sondern Israel-feindlich – und sie geben vielen Antisemiten (die sich gerne Antizionisten nennen) das ersehnte Alibi: Schließlich kritisieren ja Juden Juden.

Das alles hätte Gabriel wissen müssen. Oder seine Mitarbeiter. Googeln sollten auch sie können. Man findet zum Beispiel ganz schnell Folgendes über Schovrim Schtika (Breaking the Silence): Die israelische Tageszeitung »Haaretz« etwa weist darauf hin, dass Schovrim Schtika eine »klare politische Agenda« habe und deshalb nicht länger als Menschenrechtsorganisation bezeichnet werden könne. Eine Organisation, die erkläre, »das militärische System durchdringende Korruption« aufdecken zu wollen, sei kein neutraler Beobachter. Und das linksliberale Blatt ist hier als verlässliche Quelle einzustufen, gilt es doch als harter Gegner Netanjahus.

Dann behauptete etwa Schovrim-Schtika-Mitgründer Yehuda Shaul 2016, dass israelische Siedler das Trinkwasser einer palästinensischen Ortschaft vergiftet hätten. Das war erstens nachweisbar falsch, und es bedient zweitens ein beliebtes antisemitisches Stereotyp. Der deutsche Außenminister hätte zudem wissen dürfen, dass diese Organisation vor allem bei ausländischen Medien beliebt ist. Warum wohl?

Und wenn man etwas über Betselem wissen möchte, lohnt sich als Einstieg die Lektüre von Tuvia Tenenboms »Allein unter Juden«.

Über Israel zu sagen, dieses Land und seine Politiker sähen sich jenseits jeder Kritik, ist infam. Gerade auch in Deutschland ist das »Das muss man doch noch sagen dürfen« ein beliebtes und häufig angewandtes Stilmittel in der meist unangemessenen, weil von Ahnungslosigkeit geprägten Kritik.

Gabriel könnte sich auch mit BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) auseinandersetzen. Das ist so etwas wie die moderne Form von »Kauft nicht bei Juden«. Und wird noch dazu von der EU unterstützt.

Der deutsche Außenminister war an Yom HaShoah (Tag des Gedenkens an die Shoa) in Yad Vashem (Gedenkstätte der Märtyrer und Helden im Holocaust). Verstanden hat er offensichtlich nicht sehr viel von diesem besonderen Land. Und den Menschen in Israel, für die vor allem eines zählt: ihre Sicherheit. Und da lassen sie sich verständlicherweise ungern reinreden – weder von den NGOs noch von den Deutschen.

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