Die Zahl der Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen ist offenbar weit höher als bisher angenommen. Wie der mit der Klärung des Missbrauchsskandals beauftragte Rechtsanwalt Ulrich Weber der Süddeutschen Zeitung sagte, sei zwischen dem Zweiten Weltkrieg und den frühen neunziger Jahren womöglich jeder dritte der 2.400 Domspatzen zum Gewaltopfer geworden. Diese Schätzung gehe aus den mehr als 140 Gesprächen hervor, die er mit Opfern und Verantwortlichen geführt habe.

Weber sprach zunächst von mehr als 200 Kindern, die von Priestern und Lehrern des Bistums verprügelt worden seien. Zahlreiche Kinder seien außerdem sexuell missbraucht worden. Auch Vergewaltigungen habe es gegeben.

Während das Bistum die Misshandlungen anfangs nur in der Domspatzen-Vorschule in Pielenhofen und später in Etterzhausen verortete, habe Weber jetzt auch von Übergriffen im Gymnasium, im Internat und im Chor in Regensburg berichtet.

Im vergangenen Februar hatte das Bistum bereits eigene Nachforschungen zu den Vorfällen öffentlich gemacht. Allerdings war dort von nur 72 Gewaltopfern die Rede. Die ehemaligen Schüler aus den Jahren 1953 bis 1992 seien so schwer geschlagen worden, dass von Körperverletzung auszugehen sei. In einem Bericht hieß es, die damals acht bis zehn Jahre alten Jungen hätten in der Vorschule in einem permanenten Angstzustand gelebt. In dem Bericht des Bistums ging es allerdings um Prügel, nicht um sexuellen Missbrauch. Den Opfern überwies das Bistum Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro. 

2010 kam der Missbrauchsskandal um die Regensburger Domspatzen ans Licht. Über Jahrzehnte hinweg sollen der damalige Direktor und andere Lehrer Kinder misshandelt haben. Nachdem die Kirche zunächst selbst ermittelte, wurde vergangenen April Ulrich Weber als unabhängiger Gutachter mit der Aufarbeitung des Skandals beauftragt. Am Freitag wird der Anwalt den Zwischenbericht zur Aufklärung vorlegen. Dann sollen weitere Details bekannt werden.