Gleichstellung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Unter Gleichstellung versteht man Maßnahmen der Angleichung der Lebenssituation von im Prinzip gleichberechtigten heterogenen Bevölkerungsgruppen (z. B. Gleichberechtigung von Frau und Mann).

Unter Gleichbehandlung versteht man Maßnahmen zur Angleichung benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen (Menschen mit Behinderung, Menschen mit Erkrankung, Menschen mit Migrationshintergrund, Kinder bildungsferner Eltern) in allen Lebensbereichen.

Die Begriffe berühren die Chancengleichheit und die Gleichberechtigung auf Grundlage der Menschenrechte. Die Begriffe bezeichnen spezielle Anwendungen der allgemeinen Gleichheit der Menschen, nach dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, vor dem Gesetz und im Alltag. Sie haben auch Berührungspunkte mit der politischen Forderung nach sozialer Gerechtigkeit.

Grundlagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gleichstellung umfasst einige Thematiken, die aufgrund der unterschiedlichen Konzeptionen, der unterschiedlichen gesellschaftlichen Resonanz und der unterschiedlichen politischen Maßnahmen differenziert behandelt werden:

Zusätzlich umfasst das Thema spezifische Regelungen für spezielle Bevölkerungsgruppen:

  • Prostitutionsgesetz (Deutschland) – Gleichstellung von Prostituierten bei der Sozialversicherung

Begriffsabgrenzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gender-Mainstreaming[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gender Mainstreaming (englisch für „durchgängige Gleichstellungsorientierung“, „Gleichstellungspolitik“) hat die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter[1] zum Ziel und richtet sich an alle Beteiligten (z. B. in einer Universität).[2][3] Es ist Teil der Gleichstellungspolitik der Europäischen Union.[4]

Gleichberechtigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff der „Gleichstellung“ grenzt sich ab gegen denjenigen der „Gleichberechtigung“.

Die Gleichberechtigung wurde in Deutschland 1994 zum Staatsziel erklärt durch den Zusatz zu Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“[5] Dabei bestand im Gesetzgebungsverfahren Einigkeit, dass das Staatsziel „an alle Träger öffentlicher Gewalt gerichtet sein soll, keinen Individualanspruch auf ein bestimmtes staatliches Handeln einräumt und der Einwirkungsbereich nicht auf den Binnenbereich des Staates, namentlich den öffentlichen Dienst beschränkt ist, sondern der verbindliche Förderauftrag sich auf alle Bereiche der Gesellschaft erstreckt.“[6]

Während Gleichberechtigung die rechtsstaatliche Gleichbehandlung "mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit"[7] verfolgt, geht die Diskussion um Gleichstellung davon aus, dass die rechtsstaatliche Gleichbehandlung nicht automatisch zu einer faktischen Gleichbehandlung führe. Im Gesetzgebungsverfahren war gerade die Abgrenzung von Gleichstellung und Gleichberechtigung ein wichtiger und diskutierter Punkt: „Von einer Seite wurde der Überzeugung Ausdruck verliehen, dass das Grundgesetz nunmehr die Zulässigkeit bevorzugender Ungleichbehandlungen zur Förderung von Frauen klarstelle und insbesondere sicherstelle, dass Frauen, die die gleiche Eignung und Befähigung aufweisen wie vergleichbare Männer, bevorzugt behandelt werden dürfen, wenn die Gruppe der Frauen in dem jeweiligen Bereich unterrepräsentiert sei. Von anderer Seite wurde dies bestritten und hervorgehoben, dass die vorgeschlagene Formulierung nur die Chancengleichheit – die Gleichheit der Ausgangschancen – einräume, aber keine Ergebnisgleichheit vorgebe. Deshalb sei das Wort „Gleichstellung“ bewusst vermieden worden. Sinn der Neuregelung sei es, die Wirksamkeit des Grundrechts der Gleichberechtigung der Geschlechter zu stärken, nicht aber dieses Grundrecht einzuschränken.“[8]

Einigkeit bestand jedoch in der negativen Bewertung von Frauenquoten als Instrument der Gleichberechtigung im Sinne einer Gleichstellung: „Es bestand Übereinstimmung darüber, dass diese Bestimmung eine Frauenförderung in Gestalt sog. starrer Quoten nicht gestattet.“[8]

Positive Diskriminierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Parallel zur deutschen Entwicklung von der Gleichberechtigung zur Gleichstellung entwickelte sich in den USA das Konzept der Affirmative Action, das sich dann mehr und mehr im deutschen Sprachraum etablierte. Das Gegenteil von Gleichstellung ist nicht ausschließlich Benachteiligung. Vielmehr ist die Ungleichbehandlung von Individuen der Regelfall, diese schließt Benachteiligung mit ein. Als „positive Diskriminierung“ bezeichnet man Maßnahmen relativer Bevorzugung im Sinne der Gleichstellung. Zwar sind politische Bestrebungen zur Gleichstellung mit jenen zur Chancengleichheit häufig identisch. Oft widersprechen politische Bestrebungen zur Gleichstellung und Bestrebungen zur Gleichberechtigung einander. Die Gleichberechtigung richtet das Augenmerk auf die Gerechtigkeit jedem einzelnen Menschen gegenüber ohne Ansehen seiner „Gruppenzugehörigkeit“. Die Gleichstellung hingegen strebt die Gleichheit von Gruppen an, indem sie Einzelne aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit ungleich behandelt.

Das umfasst etwa die Frauenförderung, die weibliche Bürger bevorzugt behandelt, solange etwa eine Frauenquote nicht erreicht ist, die geschlechterspezifischen Regelungen am Arbeitsplatz, die speziellen Ausnahmeregelungen zum Schutz ethnischer Minderheiten oder die Hilfestellung, die einige Gesellschaften politisch Verfolgten angedeihen lassen. Im Zuge der Gleichstellung der Geschlechter wird auch die Benachteiligung von Männern aufgrund ihrer Geschlechterrolle in bestimmten Bereichen betrachtet.

Einschlägige Rechtsnormen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weltweite Rechtsnormen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

EU-weite Rechtsnormen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rechtsnormen in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rechtsnormen in Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rechtsnormen in der Schweiz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Schweiz hat keine allgemein umfassende Rechtsnorm, sondern nur nach Themen getrennte Gleichstellungsbestimmungen.[9]

Rechtsnormen in Liechtenstein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rechtsnormen in Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gleichstellungsgesetz (Behinderte), 2005, französisch loi pour l’égalité des droits et des chances, pour la participation et pour la citoyenneté des personnes handicapées vom 11. Februar 2005 (N° 2005-102, JO N° 36 vom 12. Februar 2005, S. 2353), kurz Loi handicap

Tier und Sache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In bestimmten Kontexten wie der ethischen Diskussion über Tierschutz wird darüber hinaus sogar von der zivilrechtlichen Gleichstellung von Tier und Sache gesprochen. Gemäß § 90a BGB sind Tiere zwar keine Sachen, werden aber so behandelt, als ob (Analogie). Dieser Paragraf gilt als deklaratorische Norm, der z. B. auf dem Gebiet des Strafrechts keine Bedeutung zukommt. Seit April 2003 steht es im Zivilgesetzbuch der Schweiz: Tiere sind keine Sachen.

Schwerbehinderte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach deutschem Sozialrecht (SGB IX) besteht die Möglichkeit einer Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 30.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Gleichstellung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gender Mainstreaming. UN Women (englisch) abgerufen am 4. Januar 2016.
  2. Rüdiger Voigt, Ralf Walkenhaus (Hrsg.): Handwörterbuch zur Verwaltungsreform. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006, ISBN 3-531-13756-5, S. 154 f.
  3. Margherita Zander, Luise Hartwig, Irma Jansen (Hrsg.): Geschlecht Nebensache? Zur Aktualität einer Gender-Perspektive in der sozialen Arbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006, ISBN 3-531-14947-4, S. 138 f.
  4. Michael Meuser, Claudia Neusüß: Gender Mainstreaming – eine Einführung. In: dies. (Hrsg.): Gender Mainstreaming. Konzepte – Handlungsfelder – Instrumente. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004, S. 9–22.
  5. Thema 2006/05: „Gleichstellung auf dem Prüfstand“. (Memento vom 16. April 2011 im Internet Archive) Deutsches Jugendinstitut, Interview mit Waltraud Cornelißen, DJI; abgerufen am 25. April 2008
  6. Uwe Berlit. In: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. N.F., 44.1996. Mohr Siebeck, 1996, ISBN 3-16-146549-0, S. 58.
  7. Klaus Stern: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band I, C.H. Beck, 1984, § 20 III 1 (S. 781).
  8. a b Bundesrat Drucksache 800/93, Seite 50, http://starweb.hessen.de/elbib/bundesrat_bericht_verfassungsreform800_93.pdf
  9. Schweizer Gleichstellungsbestimmungen. admin.ch