Von wegen geschickt: Diese „Schleichwerbung“ ist unzulässig

Dem Kunden das Produkt schmackhaft zu machen, ohne gleich „richtig“ Werbung dafür zu machen, ist das Ziel vieler Anbieter. Sie bewegen sich mit diesen Versuchen aber oft auf sehr dünnem Eis.

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Von
  • Marzena Sicking

Viele Kunden reagieren auf Werbeangebote grundsätzlich erst einmal mit Ablehnung. Da ist es besser, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern sich dem Thema allmählich zu nähern. Allerdings ist der Übergang zur "Schleichwerbung" dabei fließend – und die ist Verboten. Welche Tricks Anbieter auf jeden Fall vermeiden sollten, erklärt Rechtanwalt Dr. Jan-Felix Isele in unserem Interview.

Was versteht der Gesetzgeber unter "Schleichwerbung"?

Dr. Jan-Felix Isele: Darunter versteht der Gesetzgeber unlautere Werbung, bei denen nach § 4 Nr. 3 UWG der Werbecharakter von Wettbewerbshandlungen verschleiert wird. Das ist unzulässig.

Dr. Jan Felix Isele, Rechtsanwalt,

Dr. Jan Felix Isele, Rechtsanwalt

Dr. Jan-Felix Isele ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg. Nach Referendariat und zweitem Staatsexamen im Jahre 1997 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsches und Europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht an der Universität Heidelberg tätig, wo er im Jahre 2001 auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts und des Europarechts promovierte. Seit 1999 ist er als Rechtsanwalt in der Kanzlei Danckelmann und Kerst in Frankfurt a.M. tätig, seit 2009 als Seniorpartner. Er wurde von dem „Juve-Handbuch“ „Wirtschaftskanzleien“ 2011/2012 als einer der Aufsteiger des Jahres 2011 im Wettbewerbsrecht gekürt und ist überdies von „Best Lawyers“ im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes für das Jahr 2012 nominiert worden. Er befasst sich schwerpunktmäßig mit der Prozessvertretung, aber auch der Beratung im Wettbewerbs- und Markenrecht.

Wann wird denn der Werbecharakter von Wettbewerbshandlungen entsprechend verschleiert?

Dr. Jan-Felix Isele: Häufig tritt sie in Form der Verschleierung eines werblichen Kontaktes auf. Beispielsweise, wenn der Anbieter den Kontakt zum potentiellen Kunden unter einem nicht geschäftlichen Vorwand herstellt und ihn dann doch mit einem geschäftlichen Angebot konfrontiert und zu einer Bestellung bewegen will. Typisch dafür sind die sogenannten "Kaffeefahrten" bei denen der eigentliche Zweck, nämlich der Besuch einer Verkaufsveranstaltung, nicht hinreichend deutlich herausgestellt wird. Die Fälle gehen derzeit ja wieder durch die Medien gehen.

IT-Händler verkaufen Ihre Produkte nun aber selten via "Kaffeefahrt", sondern eher über Werbung. Darin versuchen sie den Verbraucher natürlich möglichst geschickt zu adressieren. Gibt es in diesem Bereich ebenfalls Fälle von verbotener Schleichwerbung?

Dr. Jan-Felix Isele: Durchaus. Zum Beispiel bei der sogenannten "redaktionelle Werbung", bei der dem Leser eine bezahlte Anzeige als redaktioneller Beitrag präsentiert wird. Über eine Verschleierung des Werbecharakters freut sich der Werbende vielleicht im ersten Moment, aber nur bis er mit der Tatsache konfrontiert wird, dass es sich dabei um eine Irreführung des Lesers handelt. Eine Anzeige muss deshalb unmissverständlich und eindeutig als solche kenntlich gemacht werden.

Sogenannte Advertorials findet man doch sogar in seriösen Nachrichtenmagazinen. Die können doch nicht alle verboten sein?

Dr. Jan-Felix Isele: Es ist nicht verboten, Anzeigen in Stil und Aufmachung von redaktionellen Seiten abzubilden, den Anzeigencharakter dabei zu verschleiern, aber schon. Das ist eindeutig wettbewerbswidrig. Der Hinweis muss da sein und zwar so, dass der Leser ihn nicht überlesen und ihn eindeutig dem zugehörigen Werbetext zuordnen kann. Ein Hinweis im Impressum reicht ebenfalls nicht aus.

Viele Werbende versuchen diese Pflicht zu umgehen, in dem zwar einen Hinweis bringen, aber das Wort Anzeige vermeiden. Ist das erlaubt?

Dr. Jan-Felix Isele: Mit "Anzeige" ist man auf der sicheren Seite, aber es genügt auch ein gleichwertiger Ausdruck , wie z.B. "Werbeinformation". Es ist aber eben nicht jeder Ausdruck gleichwertig. Schlagworte wie "PR-Mitteilung", "PR-Anzeige", "Sonderveröffentlichung", "public relation" oder "Werbereportage" wurden vor Gericht schon als unzulässig bewertet. Der Werbende bewegt sich hier im Zweifelsfall also auf sehr dünnem Eis.

Wie sieht es mit gezieltem "product placement" in Preisausschreiben, Computerspielen oder Fernsehsendungen aus?

Dr. Jan-Felix Isele: Das "product placement" ist natürlich auch eine Erscheinungsform der getarnten Werbung, die ebenfalls verboten ist. Allerdings kann man dies nicht schon dann nachweisen, wenn in redaktionellen oder künstlerisch gestalteten Beiträgen die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens erwähnt oder dargestellt werden. Erst dann, wenn offensichtlich ist, dass das Unternehmen für diese Darstellung Geld bezahlt hat oder dazu aufgefordert wurde, gelingt jener Nachweis. Dies wiederum ist anzunehmen, wenn ein Produkt auffällig oft oder ohne erkennbare redaktionelle, künstlerisch oder dramaturgische Veranlassung ins Bild gesetzt wird. Besonders streng wird auf solche Dinge übrigens geachtet, wenn sich das Medium auch an Kinder richtet.

Die Schleichwerbung macht auch vor dem Internet nicht halt. Immer wieder ist zu lesen, dass Unternehmen "Agenten" dafür bezahlen, sich in Blogs oder Kundenbewertungsportalen möglichst positiv über sie zu äußern. Ist das nur ein geschmackloser Versuch der Kundenbeeinflussung oder auch verboten?

Dr. Jan-Felix Isele: Auch hier kann man von Schleichwerbung ausgehen. Schließlich wird auch hier eine "neutrale Meinung" bzw. "neutrale Bewertung" vorgegaukelt, obwohl die Stellungnahme oder Bewertung "erkauft" wurde.

Welches Risiko gehen Firmen ein, die versuchen, ihre Werbung möglichst unauffällig an den Kunden zu bringen?

Dr. Jan-Felix Isele: Der Unterschied zwischen gerade noch zulässiger und schon "verschleierter" Werbung kann sehr klein sein und ist für den juristischen Laien meist nur schwer erkennbar. Aber wird die Grenze des Zulässigen nur marginal überschritten, sind die Folgen umso größer: Es drohen Abmahnungen und einstweilige Verfügungen, ganze Werbekampagnen müssen unter Umständen eingestampft werden. Damit sind natürlich auch die dazugehörigen Investitionen dahin. Deshalb ist in diesem Bereich wirklich äußerste Vorsicht geboten. Unternehmen sollten ihre Werbung am besten immer einem Experten zur Prüfung vorlegen. Das kommt sie am Ende vermutlich billiger. (masi)