Radeon RX 5700 (XT): Radeon Anti-Lag ausprobiert - macht nicht nur Navi geschmeidig
Die neuen Radeons zeigen im Test eine interessante Performance, offenkundig eine Auswirkung der neuen Architektur. Doch nicht nur die Architektur ist neu, mit Navi spendiert AMD auch einige neue Treiber-Features. Besonders interessant wirkt "Anti-Lag", eine Maßnahme, um den Input-Lag zu verringern. Wir schildern unsere Eindrücke und testen, welche Zugewinne durch Radeon Anti-Lag zu erwarten sind.
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AMDs neue Navi-GPUs sind endlich erschienen. Vorerst nur in Form von Navi 10, mit den beiden Modellen RX 5700 und RX 5700 XT zielt AMD auf die (gehobene) Mittelklasse ab. In unserem ausführlichen Test lesen Sie alles zu Verbrauch, Lautheit und Performance der beiden neuen Navi-GPUs, die sich in unserem frisch erneuerten Grafikkarten-Parcours für 2019 den Nvidia-Modellen samt Super-Upgrades für RTX 2060 und RTX 2070 stellen müssen.
Doch nicht nur die Grafikkarten sind neu, sondern auch einige Features im Treiber. Da wäre Radeon Image Sharpening, mit dem Sie ihre Spiele nachschärfen können, etwa um ein zu aggressiv weichzeichnendes TAA zu verbessern oder um die negativen Auswirkungen von Upscaling zu reduzieren. Diesen netten kleinen Bildverbesserer haben wir an anderer Stelle für Sie ausprobiert. In diesem Artikel beleuchten wir das spannend klingende Radeon "Anti-Lag".
Radeon Anti-Lag - Eingabe-Verzögerung per Treiber-Feature verringern, funktioniert das?
Per Radeon-Treiber beziehungsweise Overlay können Sie Anti-Lag zuschalten. Erfreulicherweise funktioniert dies nicht nur mit den neuen Navi-GPUs, sondern auch mit älteren Modellen, wobei aus AMDs Reviewer's Guide nicht hervorgeht, wie weit dieser Support zurückreicht. Dort ist nur von "jeder jüngeren AMD GPU oder APU" die Rede ("any recent AMD GPU or APU") - wir gehen einstweilen davon aus, dass ein GCN-Chip mindestens notwendig ist. Jedoch funktioniert Anti-Lag (zumindest) aktuell nur unter Direct X 11, mit einer Radeon RX 5700 und RX 5700 XT werden darüber hinaus auch Direct-X-9-Games unterstützt. Doch was ist Anti-Lag eigentlich und wozu soll es dienen?
Zuerst gilt es zu verstehen, dass die Eingabeverzögerung oder auch Input-Lag aus einer ganzen Kette von Latenz-Quellen entsteht. Da wären zuerst CPU- und GPU-Berechnungszeiten. Zuerst vergibt der Prozessor Renderanweisungen an die Grafikeinheit. Während diese das Bild berechnet, kann die CPU bereits weitere Renderanweisungen bereitstellen. In vielen Spielen werden in solch einem grafiklimitierten Szenario ein oder mehrere Frames von der CPU vorberechnet und zurückgehalten, um zu gewährleisten, dass die Grafikkarte stets neue Renderanweisungen erhält und so effizient ausgelastet werden kann. Doch dies führt zu einer Latenz von mindestens zwei Frames (jener, der von der CPU zurückgehalten wird und jener, den die Grafikkarte gerade berechnet). Bei 60 Fps entspricht dies beispielsweise einer durch CPU und GPU verursachten Eingabe-Latenz von 33,3 Millisekunden.
Doch dies ist nicht die vollständige Latenz, es addieren sich weitere Faktoren. Schalten Sie beispielsweise Vsync hinzu, wartet die GPU im Anschluss auch noch darauf, bis Ihr Display einen Refresh-Zyklus vollzogen hat, bis das Bild ausgegeben wird - potenziell eine weitere, deutlich spürbare Erhöhung der Eingabeverzögerung. Weiterhin summiert sich außerdem die Latenz Ihres Displays (Reaktionszeit) und Ihrer Eingabe-Geräte zur entgültigen Eingabelatzenz, die Sie spüren, wenn Sie beim Spielen die Maus bewegen.
AMDs Anti-Lag greift ganz zu Beginn in die Frameausgabe ein: Über die genaue Herangehensweise schweigt sich AMD aus, doch laut Reviewer's Guide optimiert Anti-Lag via Grafikkartentreiber dynamisch die Berechnungszeiten der CPU und bringt Prozessor und Grafikkarte dazu, einen größeren Teil der Frameberechnung überlappend vorzunehmen, sprich: Anti-Lag lässt die CPU ohne oder mit deutlich verringerter Verzögerung und möglichst ohne zurückgehaltene Frames rechnen und kann so in den besten Fällen eine Latenzersparnis von einem Frame ermöglichen (also im optimalen Beispiel 16,7 ms Verzögerung bei 60 Fps einsparen).
Zum Teil deutlich spürbare Verbesserung auch auf älteren Radeons
Beim Ausprobieren des Features konnten wir in den allermeisten Fällen eine sofortige und recht deutliche Verbesserung feststellen - die verringerte Latenz ist beim Zuschalten von Anti-Lag für sensibilisierte Spieler sofort feststellbar, doch auch Redakteuere anderer Fachbereiche bestätigten den Eindruck. Auf subjektives Empfinden müssen wir uns indes glücklicherweise nicht verlassen, denn die Ausgabelatenz ist mit Tools wie OCAT oder Presentmon messbar. Zum Vergleich haben wir in unserem ersten Anlauf eine RTX 2070S mitgetestet, schließlich verfügt Nvidia seit langer Zeit mit "Maximal vorberechnete Bilder" über eine Option im Grafiktreiber, deren potenzielle Auswirkungen sehr ählich AMDs Anti-Lag erscheinen. AMDs Anti-Lag funktioniert on-the-fly, bei der RTX 2070S wurde das jeweilige Spiel und der Benchmark nach den Eingriffen im Treibermenü neu gestartet.
Die Messergebnisse sprechen eine deutliche Sprache, allerdings nicht in allen Fällen. Nvidias "Maximal vorberechnete Bilder" hat kaum bis keine Auswirkungen auf die Treiber-Latenz, AMDs Anti-Lag hingegen verringert die Latenz deutlich - dies ist neben mess- auch spürbar und dokumentiert somit, dass sich die Herangehensweisen von AMD und Nvidia unterscheiden. Beachten Sie, dass die Performance der Grafikkarten die Latenz beeinträchtigt: Fällt die Berechnungszeit (Frametime) geringer aus, sinkt damit zugleich auch die von GPU und CPU verursachte Latenz, die hier als "Driver-Lag" bezeichet wird.
Bei den Messungen bildet Battlefield 5 eine gewisse Ausnahme, denn wenn in dem Shooter "Future Frame Rendering" im Grafikmenü deaktiviert wird, versucht das Spiel das gleiche zu erzielen, was AMD mit Anti-Lag zu bewerkstelligen möchte: Die CPU gibt Renderanweisungen möglichst schnell an die GPU weiter, um diese Art von Prozessor und Grafikkarte verursachte Latenz so gering wie möglich zu halten - nicht immer erfolgreich. In Battlefield 5 sorgt das Deaktivieren von Future Frame Rendering unter DX11 für eine sehr hohe CPU-Last und lässt die Bildraten in den Keller krachen. Mit einem schnellen Prozessor und unter der Direct-X-12-Schnittstelle funktioniert das Feature dagegen gut - die jüngste Direct-X-Schnittstelle wird jedoch wiederum von AMDs Anti-Lag nicht unterstützt. Konsequent funktioniert Anti-Lag unter Direct X 11 und bei deaktiviertem FFR nur sehr eingeschränkt. Da die Performance bei deaktiviertem Future Frame Rendering zudem unter Direct X 11 deutlich leidet, ist Anti-Lag zusammen mit diesem Feature keine empfehlenswerte Option. Obendrein funktioniert Anti-Lag nur dann optimal, wenn die GPU limitierender Faktor ist und die CPU noch über Leistungsreserven verfügt - unter DX11 samt deaktiviertem FFR ist dieser Umstand nicht mehr voll gegeben.
Wir haben außerdem zwei ältere Radeons durch PUBG und Battlefield 5 gejagt, dabei haben wir Latenz und Performance nicht nur in Full HD ermittelt, sondern außerdem WQHD überprüft, um Auswirkungen der Grafiklast sowie niedriger Performance und damit erhöhter Latenz ins Auge zu fassen. Auffällig ist dabei auch der Umstand, dass Anti-Lag die Bildraten teils relativ deutlich reduziert (pessimistisch gerechntet erscheinen rund 10 % realistisch), was eventuell auf die nicht mehr ganz optimale Auslastung der GPU oder eine erhöhte CPU-Last zurückfällt. In allen Fällen ist die Latenz aber trotz der etwas niedrigeren Bildraten (und damit erhöhten Berechnungszeiten für jeden Frame, was wiederum die Latenz erhöht) geringer als ohne das Zuschalten von Anti-Lag.
Radeon Anti-Lag - Kurzfazit
Das neue AMD-Feature machte beim ersten Test einen ausgesprochen guten Eindruck. Bis auf die spezifische Konstellation Battlefield 5 unter DX11 samt deaktiviertem Future Frame Rendering konnten wir beim Zuschalten der Option deutliche Verbesserungen feststellen - und zwar objektiv in den Messungen wie subjektiv mit der Hand an der Maus. Dabei ist Letzteres vor allem im direkten Vergleich auffällig und sicherlich wird nicht jeder Spieler die verringerte Latzenz deutlich bemerken. Grundsätzlich sollten sich Vorteile für die Reaktionszeit aber auch einstellen, wenn Sie keine allzu großen Unterschiede feststellen können. Aber natürlich ist Anti-Lag besonders für leidenschaftliche Online-Spieler und geschwindigkeitsvernarrte Shooter-Fans interessant. Etwas bedauernswert ist es indes, dass Anti-Lag nur mit Direct X 11 und Direct X 9 funktioniert und letzeres außerdem nur mit den neuen Navi-GPUs. Noch gibt es zwar reichlich DX11-Titel, doch in Zukunft werden diese wohl seltener, wenn Entwicker auf DX12 oder Vulkan wechseln. Der Nutzen von Anti-Lag wird damit voraussichtlich langsam abnehmen, sollte AMD den Support für diese neuen APIs nicht nachliefern.
Ohne diesem Feature würden sich viele Online-Spiele sehr bescheiden anfühlen oder gar unspielbar sein, denn dann müsste tatsächlich nach jedem Input immer auf die Antwort des Servers zB mit den Positionsupdates gewartet werden. Da Physik serverseitig oft nur mit geringer Frequenz berechnet wird, würde man da schnell auf hohe Latenzen kommen.
Beim Spielen per Stream hat man dieses Problems übrigens wieder, weil die Anwendung in irgendeinem entfernten Rechenzentrum läuft. Da ist es aber nicht nur das Netzwerk selbst, sondern auch die Codecs.
Ist halt die Frage wie man Input-Lag definiert.
Wie schön wäre es wenn die ""Jounralisten"" und die ganzen Lauthälse nur endlich lesen lernen würden.
Wie schön wäre es wenn die ""Jounralisten"" und die ganzen Lauthälse nur endlich lesen lernen würden.