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  4. Israel-Besuch: Sigmar Gabriels Provokation geschah in voller Absicht

Meinung Besuch in Israel

Sigmar Gabriel hat als Diplomat versagt

Freier Autor
Deutsche Seite irritiert von Ausladung Gabriels

Der Eklat beim Besuch von Außenminister Gabriel in Israel sorgt für Diskussion. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft sagt, sie hätte von Gabriel mehr Fingerspitzengefühl erwartet, die Bundesregierung stärkt ihm den Rücken.

Quelle: N24/ Matthias Heinrich

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Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat Israel auf eine Stufe mit Autokratien gestellt und damit willentlich das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Israel gestört. Der Schaden ist enorm.

Wenn es Aufgabe der Diplomatie ist, die politischen Beziehungen zwischen zwei Ländern zu vergiften, dann ist Sigmar Gabriel ein großer Diplomat. Wenn es Aufgabe der Diplomatie ist, die politischen Widersprüche in anderen Ländern zu verschärfen, dann ist Sigmar Gabriel (SPD) ein großer Diplomat.

Wenn es Aufgabe der Diplomatie ist, die Vorurteile gegen andere Länder im eigenen Land zu schüren, dann ist Sigmar Gabriel ein großer Diplomat. Denn das alles hat er mit dem bewusst herbeigeführten Eklat in Israel geleistet.

Wenn es aber Aufgabe der Diplomatie ist, die Beziehungen zu pflegen, das Verständnis füreinander zu fördern, nach gemeinsamen Interessen und Lösungen für gemeinsame Probleme zu suchen, dann hat Sigmar Gabriel als Diplomat versagt.

„Dürfen nicht zum Spielball der Innenpolitik Israels werden“

Sigmar Gabriel hat sich zu dem geplatzten Treffen mit Netanjahu geäußert. Es sei nicht schön, was passiert ist, aber es würde die Beziehung zwischen Deutschland un Israel auch nicht wesentlich beeinträchtigen.

Quelle: N24

Und das gegenüber einem Land, dessen Sicherheit nach dem Wort seiner Kanzlerin zur deutschen Staatsräson gehört. Und das in einer Gegend, die – Stichwort Syrien – Deutschlands Sicherheitsinteressen elementar berührt und wo wir keinen einzigen verlässlichen Freund außer Israel haben.

Ein Diplomat baut Brücken

Kurzum, wenn ein Stier im Porzellanladen ein guter Diplomat ist, dann ist Gabriel ein großer Diplomat. Wenn man aber als Diplomat Porzellan kitten und Brücken bauen soll, dann hat Gabriel schlechte Arbeit geleistet.

In Israel begegnete man vor Gabriels Reise nicht nur im Büro des Premierministers und Außenministers Benjamin Netanjahu dem neuen deutschen Außenminister mit Misstrauen. Nach einem Besuch der Stadt Hebron in der Westbank im März 2012 hatte Gabriel auf Facebook gepostet: „Ich war gerade in Hebron. Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt.“

Jeder Tourist kann einen Bus von Jerusalem nach Hebron besteigen und sich davon überzeugen, dass die Stadt keineswegs „für Palästinenser ein rechtsfreier Raum“ ist. Im Gegenteil: 95 Prozent der Stadt werden von den Palästinensern selbst verwaltet und sind für Israelis gesperrt.

Dabei wurde Hebron seit den Tagen Abrahams und Isaaks bis zum Massaker von 1929 ununterbrochen von Juden bewohnt. Damals wütete ein arabischer Mob, aufgestachelt vom Jerusalemer Großmufti, und machte Hebron „judenrein“.

Der Satz vom „Apartheidregime“ ist fatal

Seit einigen Jahren gibt es nun in Hebron wieder eine jüdische Siedlung, und sie wird nach wiederholten arabischen Mordanschlägen von israelischen Militärs geschützt. Man mag die Checkpoints, Sicherheitsschleusen und Räumungen bedauern, man mag der Ansicht sein, dass die Siedler dem Frieden im Weg sind. Aber von einem „Apartheidregime“ zu reden ist Unsinn.

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Gabriel hatte also allen Grund, bei seinem ersten Besuch als Außenminister leiser zu treten und um Vertrauen zu werben. Stattdessen bestand er auf einem Treffen mit zwei Organisationen, die seine damalige Ansicht bestätigen. B’tselem spricht von einer „Praxis der Apartheid“ in Hebron und anderswo in der Westbank.

Mitglieder von Breaking the Silence sprechen von „Apartheid“ und sogar von „ethnischen Säuberungen“. Das ist ihr gutes Recht, und niemand in Israel verbietet es ihnen. Dennoch hätte Gabriel wohl kaum zwei provokantere Gesprächspartner wählen können.

Und das geschah wohl in voller Absicht. Wie der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Volker Beck, von befreundeten – also linken – Knesset-Abgeordneten erfuhr, bot das israelische Außenministerium der deutschen Botschaft in Tel Aviv an, zusätzliche Organisationen der Zivilgesellschaft zum vorgesehenen Gespräch mit B’tselem und Breaking the Silence einzuladen, damit das Bild weniger einseitig ausfalle.

Vergiftung der Atmosphäre

Die Anregung sei aber vom deutschen Botschafter „brüsk zurückgewiesen“ worden. Die regierungskritische israelische Zeitung „Ha’aretz“ berichtet, ein von Netanjahu gewünschtes Telefonat mit Gabriel sei vom Auswärtigen Amt verweigert worden.

So viel zur Vergiftung der Atmosphäre zwischen unseren Ländern. Nun zur Situation in Israel. Es gibt dort natürlich viele Menschen, und nicht nur auf der äußersten Linken, die Gabriels Aufwertung der hauptsächlich mit europäischem Geld finanzierten Organisationen B’tselem und Breaking the Silence begrüßen und den diplomatischen Affront gegen den auch bei israelischen Liberalen verhassten „Bibi“ Netanjahu begrüßen.

Und es gibt Israelis, und nicht nur auf der Rechten, die es unerhört finden, wenn sich ausgerechnet ein deutscher Außenminister anmaßt, den Israelis beizubringen, was Menschenrechte sind und wer sie vertritt.

Warum traf er nicht die parlamentarische Opposition?

Gabriels Affront wird also den innenpolitischen Ton in Israel verschärfen. Wem damit am Ende gedient ist, wird sich zeigen, aber es ist vielleicht bezeichnend, dass die „Ha’aretz“ in einem Kommentar empört feststellte, Gabriel habe, indem er auf seine Treffen mit regierungskritischen NGOs in Saudi-Arabien, China und Russland verwies, das demokratische, westliche Israel in eine Reihe mit Diktaturen und Autokratien gestellt.

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In Israel gibt es eine lebendige und kräftige parlamentarische Opposition, in der auch die arabischen Israelis vertreten sind. Niemand hätte Gabriel ein Treffen mit Knesset-Abgeordneten verweigern können oder wollen. Gabriel zog es vor, so zu tun, als sei er in einem Land, wo die Opposition nur außerparlamentarisch agieren könne.

Am Tag vor Gabriels Provokation in Israel legte der vom Bundestag eingesetzte Expertenkreis zum Antisemitismus in Deutschland seinen Bericht vor. Darin wird festgestellt, dass Ansichten, die man als „israelbezogenen Antisemitismus“ bezeichnen müsse, mittlerweile von 40 Prozent der deutschen Bevölkerung geteilt werden.

Antizionismus als neuer Antisemitismus

Als Ergebnis davon, so der Bericht, fühlen sich Juden in Deutschland nicht mehr sicher. Erst kürzlich wurde in Berlin-Friedenau ein jüdischer Schüler britisch-deutscher Herkunft aus seiner Schule gemobbt, während Schulleitung, Sozialarbeiter und Lehrerschaft hilflos zusahen und in ersten Stellungnahmen das Ereignis verharmlosten, Verständnis für die Täter äußerten und sich allein besorgt zeigten über die Schädigung des Rufs ihrer „multikulturellen“, aber inzwischen wieder judenreinen Schule. Vertreter des Senats oder der Regierung sah man in Friedenau bisher nicht.

Antizionismus ist das Brecheisen des neuen Antisemitismus. Indem Israel dämonisiert wird, etwa als „Apartheidstaat“, und „die Juden“ dafür haftbar gemacht werden, wird dem Ressentiment und dem Hass Tür und Tor geöffnet.

„Neuer Tiefpunkt in deutsch-israelischen Beziehungen“

Ministerpräsident Netanjahu hat sein Treffen mit Sigmar Gabriel platzen lassen. Hintergrund ist eine geplante Diskussionsrunde des Außenministers mit Regierungskritikern. Reporter Achim Unser berichtet vor Ort.

Quelle: N24

Man will nicht unterstellen, dass Gabriel, wie weiland Jürgen Möllemann, nach den Stimmen jener 40 Prozent schielt, unter ihnen viele türkisch- und arabischstämmige Wähler, die nicht nur Israel kritisieren, sondern die den jüdischen Staat förmlich hassen.

Aber der Mann, der sonst schnell mit der Bezeichnung „Pack“ zur Hand ist, hat in Israel nichts getan, um dem antisemitischen Pack klarzumachen, wo Deutschland steht.

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