Als das ZDF im März 2013 die dreiteilige Serie Unsere Mütter, unsere Väter zeigte, saßen sieben Millionen Deutsche vor dem Fernseher. Die Sendung, die wenig später mit einem Emmy ausgezeichnet wurde, hatte damit 20 Prozent des deutschen Fernsehpublikums erreicht und für einige Aufregung gesorgt. Sie zeigte eindrucksvoll die Beteiligung von Wehrmachtssoldaten an Kriegsverbrechen und am Holocaust in Osteuropa und forderte die Zuschauer auf, sich mit der eigenen Familiengeschichte während des Zweiten Weltkriegs auseinanderzusetzen. Sie fragte: "Wer war wie beteiligt?"

In der intensiven öffentlichen Diskussion über Unsere Mütter, unsere Väter kritisierten Journalisten, Filmkritiker und Historiker und andere, dass die Serie nicht weit genug gegangen sei und zu sehr mit Stereotypen gearbeitet habe. Doch alle übersahen einen wichtigen Aspekt: Das ZDF präsentierte in der Sendung ein ungebrochenes Bild von der Geschlechterordnung des Zweiten Weltkriegs.

Deutsche Frauen wurden ausschließlich als besorgte Soldatenmütter, junge, freiwillig dienende Krankenschwestern, Geliebte oder verfolgte Opfer von Nazis porträtiert. Kontrastierende weibliche Gegenbilder sind eine jüdische Ärztin, die als Offizierin der Roten Armee dient, und eine junge polnische Zwangsarbeiterin, die sich nach ihrer erfolgreichen Flucht den Partisanen anschließt.

Die Serie ignorierte damit völlig, dass deutsche Frauen den Zweiten Weltkrieg sehr viel aktiver unterstützt haben, als die Öffentlichkeit lange angenommen hat. Wie die neuere Forschung zeigt, kamen sie nicht nur als Arbeitskräfte in Industrie und Landwirtschaft zum Einsatz, um die schnell wachsende Zahl von eingezogenen Männern zu ersetzen, sowie als Krankenschwestern und Schwesternhelferinnen, von denen etwa 400.000 im Deutschen Roten Kreuz dienten, sondern auch als Wehrmachtshelferinnen.

Insgesamt dienten rund 500.000 zumeist junge und ledige Frauen als Helferinnen der Wehrmacht, die an allen Kriegsschauplätzen in der Armee, der Luftwaffe und der Marine eingesetzt wurden, um Soldaten für den Fronteinsatz frei zu machen. 160.000 von ihnen waren als Flakhelferinnen direkt am Kampfgeschehen beteiligt. Am Ende des Zweiten Weltkriegs kam in der Wehrmacht auf 20 Soldaten mindestens eine Frau. 

Frauen in der SS

Dazu noch die 500.000 Reichsluftschutzhelferinnen an der Heimatfront. Vor Kurzem hat die Historikerin Wendy Lower in ihrem Buch Hitlers Helferinnen zudem einmal mehr gezeigt, dass Frauen auch an den Genoziden der Nazis sehr viel direkter beteiligt waren, als lange angenommen wurde; allein 10.000 gehörten der SS an.

Damit übertraf das Ausmaß der weiblichen Kriegsunterstützung im Zweiten Weltkrieg nicht nur bei Weitem die Dimensionen im Ersten Weltkrieg, sondern auch die des amerikanischen und des britischen Gegners. Beide Länder brauchten ebenfalls Frauen als militärische Hilfskräfte für den Krieg. Lediglich die Zahl der Frauen, die in der Sowjetunion für den Kampf mobilisiert wurden, war größer. Hier dienten sie offiziell auch als Soldatinnen, geschätzt werden 520.000. Weitere 300.000 waren in der Luftabwehr und etwa 500.000 im Luftschutz eingesetzt, 300.000 als Krankenschwestern und 500.000 als Rettungssanitäterinnen.

Nicht nur in der populären Erinnerung wurde das Ausmaß der militärischen Kriegsunterstützung von Frauen lange vergessen, selbst in der umfangreichen Geschichtsschreibung zum Zweiten Weltkrieg werden Frauen zumeist nur als Arbeiterinnen in der Kriegsindustrie oder Krankenschwestern porträtiert. Dies ist um so bemerkenswerter, als wir heute auf fast dreißig Jahre Forschung zum Thema Geschlecht, Militär und Krieg zurückblicken können und die Ära der Weltkriege zu den am besten erforschten Perioden überhaupt gehört. Dieser Befund gilt nicht nur für die deutsche, sondern ähnlich auch für die internationale Geschichtswissenschaft. Wie ist die Verdrängung zu erklären? Warum fällt es vielen offenbar noch heute so schwer, sich Frauen als Soldatinnen vorzustellen?