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Panorama Dating und Gefühle

Männer, warum sagt ihr denn nichts?

So haben Männer Erfolg bei Tinder

Andy Mizrahi hat sich über die Dating-App „Tinder“ mit unzähligen Frauen getroffen. In diesem Video gibt er seine Geheimnisse preis und zeigt Männern, wie sie bei „Tinder“ viele Frauen erreichen.

Quelle: Tech Insider/Die Welt

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Es ist das Schweigen der Männer. Während Frauen über ihre Datingerfahrungen gerne berichten und sie bis ins Detail aufschreiben, hält sich das „starke Geschlecht“ ängstlich zurück. Warum eigentlich?

Datingkolumnen aus Sicht eines Mannes sind so rar wie das gelungene erste Date an sich. Die Herren der ehrlichen Wortschöpfung kann man in Deutschland an einer Hand abzählen. So muss irgendwann, im Laufe der Geschichte, aus dem von Frauen fallen gelassenen weißen Taschentuch eine weiße Fahne der Kapitulation geworden sein, die Männer schwenken, bevor sie für das öffentliche Ohr auch nur ein Wort über ihre Datingerfahrungen verlieren.

Dabei möchten sie, die Frauen, lesen, auch wenn es wehtut, was sie falsch machen. Frauen haben das Recht, über ihre rausgerutschten Fürze und ihr sinnbefreites Gerede zu lesen.

So können Männer, wenn sie doch nur wollten, auf eine Enzyklopädie der Einsamkeit, auf einen Brockhaus der Befindlichkeiten zurückgreifen, um aus erster Hand zu erfahren, was Frauen auf ersten Dates durchleben und erleben. Jane Austens und Bridget Jones’ findet man zwischen Köln und Berlin, Hamburg und München zuhauf. Im Alphabet der Lebensratgeberblogs unter jedem Letter. Es wäre so leicht, aus den Fehlern anderer zu lernen. Wäre.

Doch Frauen ist dieses Wissen meist vorbehalten. Denn Männer schweigen auch heute noch, in Zeiten der Genderneutralisierung, so elegant wie einst ein Mister Darcy. Während Rilke noch ungeniert Briefe an einen jungen Dichter verfasste und Kaspar David Friedrichs Mann über dem Nebelmeer metaphorisch für das Sinnieren über die Liebe stehen muss, schweigt der Mann von heute wieder und weiterhin.

Wovor habt ihr Angst, Männer?

Darf es sein, dass die Protagonisten aus „Das Schweigen der Männer“ im Jahr 2017 selbst auferlegte Maulkörbe tragen? Die Genderdebatte hat unsere Gesellschaft auf vielen Ebenen weitergebracht. Tabuzonen werden so intensiv studiert wie der G-Punkt. Doch das Themenfeld sexueller und romantischer Alltagsprosa wird nach wie vor von Frauen bestellt – sie sind die Trümmerfrauen gebrochener Herzen.

Nicht existente Augenzeugenberichte aus Männerperspektive stapeln sich in Regalen ungeschriebener Bücher, die irgendwann in den Flammen eines imaginären Alexandrias verschwinden. Der pathetische Beigeschmack ist von der Autorin bewusst gewählt, scheitern doch so viele erste Begegnungen und Beziehungen an fehlerhafter und ausbleibender Kommunikation. Ein Trauerspiel. Man redet, der oder die andere versteht am Ende, was er möchte. Das Sender-Empfänger-Modell wird durch Funkwellen aus Altlasten und der Angst, irgendetwas Peinliches zu tun, gestört. Zu oft sitzen Frauen nach einem ersten Date auf ihrem Bett und denken darüber nach, was ihr Gegenüber wohl dachte. Wem er was erzählen würde und unter welcher Charakterbeschreibung man in seinen niemals erscheinenden Memoiren verewigt würde. Mit Sicherheit findet dieses Szenario auch in Schlafzimmern von Männern statt. Doch während die eine darüber schreibt, schweigt der andere.

Niemand schwitzt, niemand rührt sich, niemand zuckt mit den Wimpern

Man muss nicht zwingend tiefenpsychologische Fähigkeiten besitzen, um meinem Unterbewusstsein kurzerhand Panik vor diesem – nicht nur für mich – Angst einflößenden ersten Treffen zu attestieren. Denn erste Dates, mit wenigen Ausnahmen, schreien nach peinlicher Stille und nach verschwiegenen Peinlichkeiten.

Seitenweise bezugnehmende Literatur existiert in der analogen und digitalen Welt. Frauen, die ihre Seele auf den Altar des jüngsten Lesergerichts opfern wie Abraham seinen Isaak. Sich den Datingfrust von der Seele schreiben, als gäbe es keinen verheulten Morgen. Die Geschichten zeugen oft von missglückter Zweisamkeit und einer Art bittersüßem Humor, die menschlich und notwendig ist, um Begegnungen der 69. Art immer wieder zu bestreiten.

Ich habe diesen einen Traum. Ein Traum, der mich nur dann heimsucht, wenn ich wieder einmal kurz davor bin, auf ein erstes Date zu gehen. In diesem Traum stehen Männer vor mir. Sie alle stehen kerzengerade auf einer langen Linie aus gelber Kreide. Wieso diese Linie Gelb ist, das weiß ich nicht. Die Sonne scheint, nein, sie gleißt auf sie herab. Niemand schwitzt, niemand rührt sich, niemand zuckt mit den Wimpern.

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Eine unheimliche Ruhe liegt über jenem Bild, indem bewusstes Schweigen der größte gemeinsame Nenner dieser Ansammlung zurückliegender Peinlichkeiten ist. Meine Fragen, die ich ins Leere schreie, bleiben unbeantwortet. Meine Rufe zerschmettern auf einer irrsinnigen Schallmauer der Stille. Männer, nimmt sie mit in eure Köpfe, wenn ihr schon nicht gemeinsam im Bett landet.

Ich versetze mich in den Kopf eines der Männer aus meinem Traum

Durch gelernte Autorenrollenmuster wird der Leser wie ein pawlowscher Hund auf Datingkolumnen konditioniert. Die Frau an der längeren Leine, der metaphorische Stift, erteilt einen Klick für jeden Penis, der lesend und lächelnd nicht in sich aufgenommen, jedoch verinnerlicht wird.

„Er war klein. Kleiner, als ich dachte“, lauten die Sätze einer x-beliebigen Autorin in einer x-beliebigen Kolumne. „Und das Erste, was er sagte, als wir uns hinsetzten, war, dass sein Penis größer sei, als man glauben möchte!“

Der Leser lacht und notiert sich, so etwas niemals bei einem ersten Date zu sagen. Es sei denn, man forciere bewusst die Peinlichkeit. Automatisch erscheint vor dem inneren Auge eine verträumt aus dem Fenster blickende Carrie Bradshaw, die sich ihren Sex und ihre City von der Seele schreibt. Der inhaltliche Überdruss ist zum Heulen. So versetze ich mich in den Kopf eines der Männer aus meinem Traum. Was würde dieser über den bisher verschwiegenen Abend schreiben und mit seiner Leserschaft teilen? Ich befürchte, seine Zeilen würden folgendermaßen klingen:

„Frauen, die mehr als fünf Zeilen in ihr Tinder-Profil schreiben, sind irre. Das hatte ich bereits gelernt. Alles, was über Name und Berufsbezeichnung hinausgeht, ist kritisch. Doch ich traf mich mit ihr, der Siebenzeilenfrau. Aus Neugierde. Doch sie ist noch verrückter, als ich dachte“, würde er schreiben.

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Peinlich, denkt sich der Leser. Und lacht. Über die Ehrlichkeit, die Offenheit. Nicht umsonst füllt ein Berliner Autor mit einem Buch über seine Datingkarriere große Eventhallen. Der Nagel wurde bewusst gewählt, bevor er ins Schwarze traf. Die klaffende Lücke der Männerperspektive ist zu groß, um sie zu übersehen.

„Sie redet und redet, und redet“, führe er fort. „Ich komme nicht zu Wort. Die Siebenzeilenfrau überschlägt sich, ganz so, als würde sie versuchen, eventuell peinlich aufkommender Stille das Maul zu stopfen. Doch, und das wird sie nicht wissen, solange sie diesen Text nicht liest: Sie stopfte mir das Maul, bevor ich etwas sagen konnte. Daher schwieg ich.“

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